Selbsterkenntnis und Eigensinn


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6.5 Beispiel Krankheit

6 Wer und was bin ich?


Ich lebe das alles in dem vorgegebenen Rahmen meines menschlichen Körpers. Vermutlich werde ich nie fliegen können wie ein Adler, nie mich schwimmend schlängeln wie ein Aal oder rollen wie ein Kiesel im Bachgeriesel. Aber, ist die Anpassung optimal, fühle ich mich wohl und gesund. Paßt etwas nicht, fühle ich mich unpäßlich. Geht etwas schief, gerät mein Lebensschiff in zu starke Krängung, erlebe ich Kränkung mit der möglichen Folge, ich fühle mich krank.

Dabei ist krank nicht einfach krank. Jeder beschreibt sein Kranksein anders. Dieses 'Kranksein' ist ja nicht einfach etwas klar Bestimmbares am oder im Körper. Ein Schnitt mit dem Küchenmesser in den Finger mag eindeutig erscheinen. Aber schon die Art und die Dauer von Verheilen ist bei jedem anders. Weit vielgestaltiger wird das bei einer 'richtigen' oder gar einer 'großen' Krankheit. Da es in der Natur, in der Biologie nichts Gut- oder Bösartiges an sich gibt, sondern die Natur auch in den uns Menschen unverständlich oder gar böse erscheinenden Dingen bzw. Vorgängen immer etwas Sinnvolles, Zweckvolles, Zielgerichtetes, mithin etwas auf eine Problemlösung abzielendes intendiert, so ist das eigentliche Problem in der heutigen Medizin nicht die Natur, die etwas vergessen hat, einen Fehler gemacht hat, aus dem Ruder läuft, entartet, Amok läuft o.ä., sondern der Mensch selbst in seinem Unverstand.

Dieses Unverstandene soll für meinen Verstand bitteschön sinnvoll sein! Wenn ich Kranken zuhöre, beginnen sie meist schnell davon zu berichten, wie sehr es ihnen zu schaffen macht, schon wenn sie wegen einer Grippe ausfallen, sich ins Bett legen, bedienen lassen müssen. Dass der erste Gedanke der ist – ein Gedanke, der mit Schrecken in die eh schon grippeschmerzenden Glieder fährt: Was habe ich falsch gemacht? Was habe ich übersehen? Und letztlich: wofür werde ich bestraft? Eine neue Moral hat sich ausgebreitet. Seitdem es populär geworden ist, dass körperliche Krankheiten mit einem persönlichen, seelischen Thema zu tun haben könnten, ist ein neues Dogma entstanden. Einfach ausgedrückt heißt es: Bist Du krank, hast Du etwas falsch gemacht. Bist Du krank, hast Du etwas noch nicht richtig verstanden. Bist Du krank, bist Du etwas, das Du hättest spüren können, übergangen. Bist Du krank, bist Du noch nicht reif genug. Bist Du krank, zeigt das Deine Unfähigkeit. Bist Du krank, bist Du falsch/ nicht gut genug/ dumm. Doch was wissen wir denn schon wirklich über das Wesen von Krankheiten? Dieses Dogma zeigt nur eines: Erkennbar wird die "pädagogische Krankheit" der von Erzogenen erzogenen.

Auch hier gilt also "Die Welt entsteht im Kopf" und der Satz von Einstein: "Die Theorie entscheidet, was man beobachten kann". Objektivität ist nichts als eine Bewußtseinsstörung.

So geht unsere herrschende medizinische Lehre aus von der chemischen oder physikalischen Teilbarkeit des Körpers, seiner Organe und Zellen und aller Prozesse darin. Sei jedes Teil und jeder Prozeß mehr oder weniger gut verstanden, dann sei er auch mehr oder weniger gut steuerbar von außen auf chemische oder physikalische Weise. Jede solche Steuerung ist so auch überprüfbar im Experiment und nur aus der Reihenuntersuchung, aus der Statisktik vom Doppelblindversuch darf auf Wirkung geschlossen werden. So kann der Kranke reduziert werden auf die Krankheit bzw. ihre Symptome. Das ist wissenschaftlich und wirtschaftlich anerkannt und entfaltet daraus seine Eigendynamik.

Ein alter Freund mailte mir dieses:
" ... Es war die jährliche Blutuntersuchung (wegen Cholesterin) fällig und da ich letztes Jahr die urolog. Untersuchung verschlafen habe, macht mein Hausarzt auch gleich die PSA-Daten und schlägt Alarm: PSA-gesamt = 3.89 ng/ml. Das ist im erhöhten Bereich, lt. Psyrembel gehen die Normalwerte bis 2.7. Also schleunigst bei meinem Urologen einen Termin, da ist es immer voll, erst Ende des Monats bin ich dran. Zwischenzeitlich drängt der Hausarzt mich zu einem Test bei >www.xxx.com<; da wird tiefgefrorener Urin per Kurierdienst hingeschickt. Schau Dir das doch mal an, für wie seriös hältst Du das? Kostet nur 443 EU, ob die Krankenversicherung was bezahlt, ist ungewiß. Der xxx-Befund mit bunten Kurven ist negativ, bis 40% negativ, 40-60% borderline, über 60% positiv. Ich habe 39%, ganz schön schlau hingedreht an die Grenze, falls doch was ist, finde ich.
In der o.g. Homepage steht irgendwo dies:
Altersabhängige Grenzwerte: Da sich die Prostata natürlicher Weise im Alter vergrößert und damit auch der PSA-Wert ansteigt, wurden altersabhängige Grenzwerte vorgeschlagen: niedrigere Grenzwerte bei jüngeren, höhere bei Älteren (= höhere Sensitivität bei Jüngeren, höhere Spezifität bei Älteren). Auch hier besteht jedoch das Problem, daß die Grenzwerte umstritten sind und PSA-Werte unterhalb des Grenzwertes einen Prostatakrebs nicht mit Sicherheit ausschliessen.
Die vorstehenden Daten sah ich erst nach der Urin-Versendung, aber ich denke, ich hätte wohl auch sonst die Untersuchung gemacht. So ein ganz klein wenig fühle ich mich verschaukelt, weil ein umfangreicher Fragebogen für xxx ausgefüllt werden mußte und auch die Laborwerte inkl. PSA beizufügen waren. Wozu dann noch den Urin??? :-))
Die Kakteen genießen die südliche Sonne, s. angehängtes Foto. ..."
[1]

Was für eine erstaunliche Mitteilung. Was für ein bemerkenswertes Selbstverständnis! Ein Krimi - der Gärtner könnte der Mörder sein. Es zählt dem Freund nichts, daß es ihm gut geht. Der geheime Verräter könnte er selber sein, 'sein' Körper. Dem muß mit Labormethoden die Maske abgerissen werden. Doch die bringen außer Kosten - wünschenswerterweise von der Solidar-Gemeinschaft der Versicherten zu zahlen und mehr als ein AlgII-Bezieher für einen ganzen Monat zum Lebensunterhalt bekommt - auch nichts Gewisses. Aber der Kaktus blüht prächtig. - Ich hab ihm geantwortet "Vermutlich das einzig Sichere im Leben: es endet tödlich :-)"

Meine sehr verkürzte Beschreibung möge bitte nicht als böswillig gegen die herrschende Schulmedizin verstanden werden. Ich und die Leser leben in dieser Gesellschaft, konstituieren sie, die eine solche Medizinlehre hervorgebracht hat, und deshalb schätzen wir auch alle die großartigen Erfolge, die mit solcher Medizin vollbracht werden.

Neben 'Schulmedizin' gibt es das zweite Lager, heute genannt 'Alternativmedizin', das der ganz anderen Medizinlehren, die erstmal nur Kranke kennen, weniger 'Krankheiten'. Zusätzlich kennen manche davon neben chemischen oder physikalischen krank- oder gesundmachenden Einwirkungen noch ganz andere, für viele von uns höchst unwissenschaftliche Kräfte, wie die von Sternen, Geistern, Äther, Qi und ähnlichem.

Der Streit zwischen den Anhängern der beiden Lager ist höchst spannend. Er wird mit großem Aufwand geführt. Aber er ist letzlich sinnlos, denn es geht um Weltanschauung, unvereinbare Weltsichten. So wie man einen Buddhisten nicht überzeugen könnte, seine Verantwortung für sein Karma durch den Dreifaltigen Gott der Christen zu ersetzen und umgekehrt, so kann man einen Homöopathen nicht von der Möglichkeit eines Doppelblindversuchs bei einer Krankheit überzeugen bzw. einen Schulmediziner von der Individualität jedes Kranken.

"An allem zweifeln und alles glauben sind zwei bequeme Wege, die in gleicher Weise, einer wie der andere vom Nachdenken befreien" sagte Henri Poincaré (ein französischer Physiker und berühmter Mathematiker, 1854 - 1912). Werner Heisenberg: ".. und wir müssen uns daran erinnern, daß das, was wir beobachten, nicht die Natur selbst, sondern Natur, die unserer Art der Fragestellung ausgesetzt ist.".

Verständlicherweise, denn wie kann man etwas wissenschaftlich beweisen, wenn das, was wirkt, gar nicht wissenschaftlich erfaßbar ist. Bekanntlicherweise endet die wissenschaftliche Kompetenz derzeitig an der Grenze zum Reich in die geistigen Welten. So gibt es auch bis heute weder in den Gesetzen der klassischen Physik noch der Chemie oder der Biologie irgendeinen Hinweis auf Bewußtsein bzw. Geist. Im Gegensatz zur Religion, die Glaube als Tugend wertet, ist er im Bereich der traditionellen Wissenschaft eher verpönt - obwohl, ganz ohne Glaube, es die Quantenphysik seit hundert Jahren gibt und obwohl einige Physiker und Mathematiker diese längst soweit entwickelt haben, daß geistiges Einwirken und Hierarchien Höherer Intelligenzen zumindest der Theorie entsprechend mitgedacht werden könnten - und, wenn man dieses Modell der Physik ernst nimmt, auch mitgedacht werden müßte.


All diese Texte, seien sie nun pro oder contra, sind eindeutig der Beweis dafür, daß keiner der Autoren die Thematik von mehreren Seiten beleuchtet hat oder gar bereit wäre, das Kind beim Namen zu nennen und das Ganze ein für allemal auf eine realitätsnahe Grundlage zu stellen. Von allen möglichen Einflüssen wird da berichtet, nur nicht von dem der Psyche und den damit verbundenen "anwenderbedingten" Faktoren. Vermischungen von Realität und Imagination erfolgen in geradezu haarsträubender Weise. Anhänger wie Gegner verstricken sich hier gleichermaßen.

Aus rein dogmatischen Ansätzen etwas abzulehnen bringt keine neue Erkenntnis! So watet bisher auch jeder in einem scheinbar nie austrocknenden Sumpf, unfähig, der Realität ins Auge zu blicken. Die einen, die sich nur an der materiellen Außenwelt orientieren und die Macht der Gedanken und Vorstellungen ignorieren und die anderen, die um jeden Preis tradierte Wissenschaftlichkeit vortäuschen wollen, bzw. auch dort noch suchen und finden (!), wo nach der klassischen Definition gar keine mehr vorhanden ist bzw. sein kann, nämlich im Reich der geistigen Welt. Dabei wäre die Lösung für beide Lager recht einfach, man müßte nur Mut zur Ehrlichkeit besitzen und bereit sein, die polaren Aspekte der menschlichen Wirklichkeit in einem holistischen Modell zusammenzufassen. Schließlich gibt es genug renommierte Wissenschaftler - darunter viele Nobelpreisträger -, die die Zusammenhänge zwischen Materie und Bewußtsein erkannt und sich in ihren Schriften eindeutig ausgesprochen haben, die meisten allerdings erst nach ihrer Emeritierung. Für die Quantenphysik jedenfalls gilt das rein materialistische Weltbild schon lange nicht mehr.

Die Homöopathie ist ein schönes Beispiel. So veröffentlichte 1810 Samuel Hahnemann das "Organon der Heilkunst", dem JCA. Heinroth 1825 entgegensetzte das "Antiorganon oder das Irrige der Hahnemannischen Lehre im Organon der Heilkunst". Und bis heute wird in vielen Büchern und Internetseiten 'bewiesen', daß Hahnemann naturwissenschaftlich und philosophisch eine falsche Theorie vertritt.

Samuel Hahnemann (1755 - 1843) studierte Medizin in Leipzig und arbeitete unter anderem als Physikus in Gommern. Später bildete er sich zum Gerichtsmediziner weiter. 1811 siedelte er nach Leipzig über, wo er sich habilitierte - er stand also durchaus an der Spitze der medizinischen Wissenschaft seiner Zeit. 1835 zog er nach Paris, wo er bis zu seinem Tod eine Praxis führte. "Organon der Heilkunst" erklärt die Theorie der homöopathischen Medizin. In 291 Paragraphen erläutert Hahnemann die Gesetzmäßigkeiten von Gesundheit, Krankheit und Heilung, die Prinzipien der Homöopathie und deren Anwendung. Für ihn gibt es keine Krankheiten, nur "Symptome an Körper, Verhalten und Gemüth des Kranken, die eine Verstimmtheit der Lebenskraft anzeigen".

Er sagt "Das Leiden der krankhaft verstimmten, geistartigen, unsern Körper belebenden Dynamis (Lebenskraft) im unsichtbaren Innern und der Inbegriff der von ihr im Organismus veranstalteten, äußerlich wahrnehmbaren, das vorhandene Übel darstellenden Symptome, bilden nämlich ein Ganzes, sind Eins und Dasselbe. Wohl ist der Organismus materielles Werkzeug zum Leben, aber ohne Belebung von der instinktartig fühlenden und ordnenden Dynamis so wenig denkbar, als Lebenskraft ohne Organismus; folglich machen beide eine Einheit aus, obgleich wir in Gedanken diese Einheit, der leichtern Begreiflichkeit wegen in zwei Begriffe spalten. Demnach können Heil-Arzneien, nur durch dynamische Wirkung auf das Lebensprincip die Gesundheit und Lebens-Harmonie wieder herstellen und stellen sie wirklich her, nachdem die unsern Sinnen merkbaren Veränderungen in dem Befinden des Kranken (der Symptomen-Inbegriff) dem aufmerksam beobachtenden und forschenden Heilkünstler, die Krankheit so vollkommen dargestellt hatten, als es um sie heilen zu können, nöthig war."

Welcher Physiker kann etwas mit dieser Dynamis anfangen? Was wäre für einen Schulmediziner diese Lebenskraft. Wie kann ein Chemiker sich einlassen auf die homöopathischen Medikamente, in denen die Dynamis des Arzneimittels potenziert wird durch immer wieder zehnfaches Verdünnen in einem besonderen Verfahren, wo doch die Potenz D23 die Loschmidt-Konstante überschreitet, heißt, es ist kein Atom des Mittels mehr darin enthalten - und Homöopathie potenziert auch durch hundertfaches, gar fünfzigtausendfaches Verdünnen. Das ist ja alles lächerlich und wenn das Mittel wirkt, dann nur als Placebo.

Placebo ([lat. "ich werde gefallen"] Scheinarzneimittel): In der Pharmakologie wird heute verlangt, dass ein Medikament, bevor es auf den Markt kommt, so genannte Doppelblindstudien durchläuft. Was geschieht bei so einer Studie? Man verabreicht einer Gruppe von Patienten eine wertlose Substanz, das Placebo, und einer anderen Gruppe das Verum, das zu prüfende Medikament. Natürlich weiss keine der Testpersonen, zu welcher Gruppe sie gehört. Weil man relativ früh gemerkt hat, dass es eine Rolle spielt, ob der verabreichende Arzt Bescheid weiss, was er da verabreicht, ging man zur Blindstudie über, bei der man auch die Ärzte im Dunkeln liess. Das reichte aber noch nicht: Man stellte fest, dass auch das Wissen der Versuchsleitung die Resultate beeinflusst. Die Doppelblindstudie war geboren, bei der weder der verabreichende Arzt noch die Versuchsleitung weiß, wer was bekommt. Mit anderen Worten: Was die so genannte evidenzbasierte Medizin seit langem bekämpft, ist längst Hauptakteur in ihren Studien: Ein heilender Faktor, der weit über den Placebo-Effekt hinaus geht, und der offensichtlich im Unbewussten sämtlicher Beteiligten schlummert. Kann man es den Alternativ-Medizinern verübeln, dass sie genau auf diesen Faktor bauen? Bitte versteht mich richtig: es geht mir hier nicht um eine Diskussion pro oder contra Schulmedizin. Im Gegenteil: Ich bin der Meinung, dass beim Heilen (egal, ob durch Naturheilkundler oder durch Schulmediziner) etwas wirkt, was über die chemische Wirkung einer Substanz und auch über den weithin bekannten Placebo-Effekt hinaus geht. Dass wir nicht genau wissen, was das ist, ist zwar für viele von uns schwer zu ertragen. Aber DASS es existiert, ist klar. Es sei denn, die Pharmakologen irren sich und führen Doppelblindstudien nur zum Zeitvertreib durch

Zurück zur Dynamis, meine Unkräuter im Garten reagierten auf homöopathische Mittel: 37 Blumentöpfe mit derselben Erde, am selben Tag eingesät mit den Samen einer Melde-Pflanze und dann gegossen mit den Potenzen D1 bis D36 der Asche dieser Pflanze zeigen je nach Potenz mal Kümmerwuchs, mal Riesenwuchs, während im Topf 1, gegossen mit normalem Wasser, die Melden von ganz normaler Größe blieben
[2].

Eine mir sehr einleuchtende Sicht auf diese sinnlose Auseinandersetzung zwischen Weltanschauungen schrieb Hans-Peter Zimmermann (siehe in http://www.hpz.com/letterindex.html) "... Auf meinem Nachttisch liegt ein Büchlein von Martin Lambeck. Er ist Physiker und Mitglied der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (http://www.gwup.org). Das Büchlein trägt den Titel "Irrt die Physik? - Über alternative Medizin und Esoterik".

Lambecks Vorhaben ist so vorbildlich, daß ich mich zunächst gefragt habe, was der Mann bei der doch eher sturen und unwissenschaftlichen GWUP verloren hat: Er ist der Meinung, daß, wenn Pendler, Rutengänger und Homöopathen tatsächlich unter wissenschaftlichen Bedingungen bestehen könnten, man die Gesetze der Physik abändern müßte. In seinem Buch formuliert er daher die Aufträge an die Forschung für die kommenden Jahre.

Das klingt alles sehr wissenschaftlich, bis auf den folgenden Absatz: "...(Zitat Lambeck) Als ich etwa ein Jahr alt war, litt ich unter einer lebensbedrohlichen Krankheit. Nach erfolgloser Konsultation mehrerer Ärzte wurde ich zu einem (Arzt oder Naturheilpraktiker?) gebracht, der über meinem Bauch pendelte. Daraufhin empfahl er meiner Mutter, sie solle Leinsamen durch eine Kaffeemühle drehen und diese mit dem Brei an mich verfüttern: Die Krankheit verschwand und kam nie wieder. Als Skeptiker vermute ich heute, daß der Arzt sehr gute diagnostische und therapeutische Fähigkeiten hatte und daher erkannte, daß Leinsamen die richtige Therapie darstellten. Der Pendel diente dann nur noch der bewußten (oder unbewußten) Bestätigung.

Soso, Herr Lambeck, Sie vermuten. Ich habe gemeint, in Ihrem Buch ginge es um WISSEN und nicht um GLAUBEN. Denn Letzteres ist es doch, was Sie bei den Esoterik-Freaks vehement kritisieren.

Ich finde übrigens die Fragestellungen in diesem Buch sehr gelungen. Auch ich habe mich schon immer gefragt, wie das möglich sein soll, daß ein Hochpotenz-Homöopathikum lediglich die Information des Heilmittels speichern und die ganzen schädlichen Einflüsse wie Postscanner, Registrierkassen und Elektrosmog in den Apotheken völlig ignorieren soll. Dennoch weiß ich, daß Homöopathie funktioniert.

Lambeck ist der Meinung, daß Phänomene wie Homöopathie, Rutengehen und Feng Shui zuerst wissenschaftlich bewiesen werden müssen, bevor man darüber diskutiert, ob die Physik irrt oder unvollständig ist. Das ist meines Erachtens ein gravierender Denkfehler: Wenn der Physik, wie Lambeck sie versteht, die nötigen Informationen fehlen, um solche Phänomene nachzuweisen, dann wäre es besser, erst einmal die Hypothese aufzustellen, daß die Physik unvollständig sei.

Außerdem: Heiler gibt es schon seit Jahrtausenden, Physiker erst seit ein paaar Jahrhunderten. Und es waren in der Vergangenheit immer die Physiker, die ihr Weltbild anpassen mußten. Wie borniert die bisweilen auch heute noch sind, zeigt folgendes Lambeck-Zitat:
"...Wir halten es entgegen häufig geübter Praxis für absolut unergiebig, ausschließlich die von Rutengängern sich allgemein selbst zugeschriebenen Leistungen im wörtlichen Sinne zu prüfen, da jeder halbwegs Informierte weiß, daß es diese Leistungen in der Regel nicht gibt."

Das sagten die Professoren König und Betz in München, nachdem ihnen von der Bundesregierung DM 400.000.- zugesprochen wurden, um das Phänomen der Erdstrahlen zu erforschen und gegebenenfalls in die staatlich geförderte Krebsforschung zu integrieren. Und bemerkenswerterweise schränkten Sie ihr Diktum ein mit dem Nachsatz, "daß es diese Leistungen
in der Regel nicht gibt." Vier ihrer 100 Probanden lieferten nämlich unter allen Umständen die zutreffende Mutung! Nicht die 96, nein, diese 4 Rutengänger sollten die Physiker zur Überprüfung ihrer Hypothesen zwingen!

Mit anderen Worten: Wir wissen nichts davon, also kann es das nicht geben!

Ich möchte Herrn Lambecks Forschungs-Vorschlägen Folgendes entgegenhalten:

1. Sie werden bereits bei der Auslese der Probanden ein Problem bekommen. Denn Sie werden immer nur die schlechten oder bestenfalls mittelmäßigen Therapeuten dazu überreden können, bei Ihren Versuchen mitzumachen. Ihre Versuche schließen jegliche Form von Spiritualität aus, und das schreckt jeden Heiler ab, der sich nicht um sein aufgeblasenes Ego, sondern um das Wohl seiner Klienten kümmern will.

2. Therapieren und Forschen schließen sich gegenseitig aus. Ein Forscher verlangt zum Beispiel, daß die Beseitigung von Einflüssen durch Erdstrahlen als Mono-Therapie erfolgt. Wenn der Krebspatient stirbt, ist das für den Forscher ein "gutes" Resultat, weil er dann "weiß", daß Erdstrahlen nicht maßgeblich am Entstehen des Krebses beteiligt sind. Für den echten Heiler ist so etwas zynisch. Krebs ist ein multifaktorielles Geschehen und verlangt auch multifaktorielle Therapie. Dem Heiler ist es egal,
was genau geholfen hat, und sein Ego ist auch nicht auf das Lob angewiesen. Irgendwann muß also jeder die Entscheidung treffen: Will ich heilen oder forschen? Beides gleichzeitig geht nicht.

3. Martin Lambecks Physikbild schließt aus, daß es eine Schutz-Instanz in guten Heilern gibt, die sie davor bewahren, auf den Macht-Trip zu geraten. Ein Beispiel: Wenn ich an meinem Tensor-Seminar (http://www.hpz.com/tensorseminar.html) die Teilnehmer auffordere, mittels Tensor herauszufinden, auf welchen umgedrehten Kärtchen ein JA und auf welchen ein NEIN steht, versagen alle kläglich. Wenn ich jedoch den Auftrag erteile, für einen Anwesenden eine passende Bachblüte zu pendeln, dann ist die Trefferquote höher als 95 Prozent. Das heißt für mich, es gibt offensichtlich eine Instanz in uns (die alten Hawaiianer nannten sie das Obere Selbst), die dafür sorgt, daß unsere Intuition nur dort funktioniert, wo sie keinen Schaden anrichten kann. Mit anderen Worten: Selbst wenn Herr Lambeck und seine Jünger gute Heiler überreden könnten, bei ihren Versuchen mitzumachen, würden viele versagen, weil das Höhere Selbst an diesen langweiligen Tests schlicht und einfach kein Interesse hat. ..."

Wenn die Welt schon so verschieden ist aus der Sicht der Behandler, die solches Behandeln lange studiert und geübt haben, wie verschieden ist es dann erst aus der Sicht der zu Behandelnden, der Kranken?

Für den Krebskranken ist nicht der Krebs das unmittelbare Problem; das unmittelbare Problem ist Information. Und das erste, was man über Krebsinformationen herausfindet, ist dies: Im Grunde stimmt nichts davon. Das möchte ich gern erklären
[3]. Bei jeder Krankheit steht man vor zwei ganz verschiedenen Dingen. Zunächst einmal ist da der Krankheitsprozeß selbst - ein Knochenbruch, eine Grippe, ein Herzinfarkt, ein bösartiger Tumor. Nennen wir diesen Aspekt der Krankheit "Erkrankung". Die Erkrankung ist mehr oder weniger wertfrei , weder wahr noch unwahr, weder gut noch schlecht - sie ist einfach, ihre Eigenschaft.

Zweitens aber hat ein Kranker mit der Haltung zu tun, die seine Gesellschaft oder Kultur gegenüber dieser Erkrankung einnimmt, also mit den Urteilen, Ängsten, Hoffnungen, Mythen, Geschichten, Wertvorstellungen, kurz mit der Bedeutung, die eine bestimmte Gesellschaft mit jeder Erkrankung verbindet. Nennen wir diesen Aspekt der Krankheit "das Leiden", ihre Gegegebenheit. Krebs ist nicht nur eine Krankheit, ein medizinisch-wissenschaftliches Phänomen, sondern zugleich ein Leiden, das heißt ein mit kultureller und sozialer Bedeutung befrachtetes Phänomen. Die Wissenschaft sagt uns, wann und in welcher Weise wir krank sind; unsere Kultur oder Subkultur sagt, wann und in welcher Weise wir leidend sind.

Das ist nicht von vornherein schlecht. Wenn eine Kultur einer bestimmten Krankheit mitfühlend und verständnisvoll gegenübersteht, kann das Leiden als Herausforderung angesehen werden, als Heilungskrise und Chance. "Leidend" zu sein ist dann kein mit moralischen Urteilen verknüpfter Fluch, sondern eine Bewegung in einem umfassenden Prozeß der Heilung und Gesundung. Wo das Leiden aus einer hilfsbereiten Haltung heraus positiv gesehen wird, hat die Krankheit viel bessere Hellungsaussichten - und der Mensch kann durch sie innerlich wachsen.

Menschen sind zur Bedeutung, zum Sinn, und damit zu Werturteilen verdammt. Es genügt nicht zu wissen,
daß ich erkrankt bin; dieses daß bezeichnet nur meine Krankheit selbst. Ich will auch wissen, warum ich diese Krankheit habe. Warum ich? Was bedeutet sie? Was habe ich falsch gemacht? Wie konnte das passieren? Mit anderen Worten, ich will dieser Krankheit eine Bedeutung verleihen, und die liefert mir vor allem meine Gesellschaft mit all den Geschichten, Wertungen und Meinungen, mit denen sie eine bestimmte Erkrankung umgibt und damit zu einem Leiden macht.

Durch die Wissenschaft suche ich also meine Krankheit zu
erklären, aber durch die Gesellschaft suche ich mein Leiden zu verstehen - was bedeutet es? Denn in dem Maße, wie ich zu dieser Gesellschaft gehöre, also in ihr bin, ist sie mit ihren Bedeutungszuweisungen und Urteilen in mir, sie sind mir in Fleisch und Blut übergegangen und bestimmen, wie ich mich selbst und mein Leiden verstehe. Entscheidend ist hierbei, daß der positive oder negative Bedeutungsgehalt - Entwicklungschance oder Strafe -, der einer Erkrankung beigemessen wird, sehr große Auswirkungen für mich und für den Verlauf meiner Erkrankung haben kann: Das Leiden ist häufig zerstörerischer als die Krankheit.

Zum Sinn verdammt: Wir lassen uns viel lieber einen schädlichen und negativen Sinn aufbürden, als gar keinen Sinn zu haben. Sooft eine Krankheit uns erwischt, ist die Gesellschaft zur Stelle mit einem Sack handlicher Bedeutungen und Urteile, anhand derer man versuchen kann, sein Leiden zu begreifen. Und wenn die Gesellschaft über die wahren Hintergründe einer Krankheit wenig oder gar nichts weiß, entsteht Angst, und diese Angst erzeugt negative Urteile über den Charakter dessen, der das Pech hatte, sich die Krankheit zuzuziehen. Dieser Mensch ist nicht krank, sondern leidend. Solches Leiden, durch die Urteile der Gesellschaft definiert, wird nur zu leicht ein sich selbst verstärkender Teufelskreis: Warum gerade ich? Warum bin ich krank? Weil du böse warst. Und woran erkenne ich, daß ich böse war? Daran, daß du krank bist.

Es gibt natürlich Fälle, wo moralische Schwäche oder Willensschwäche (etwa die mangelnde Bereitschaft, mit einer schädlichen Gewohnheit aufzuhören) oder Persönlichkeitsfaktoren (etwa Depressivität) direkt zum Entstehen einer Krankheit beitragen können. Aber das ist etwas ganz anderes, als von einer Krankheit mit in erster Linie medizinischen Ursachen einfach aus Unwissenheit zu behaupten, sie sei durch moralische Defekte oder Schwächen verursacht. Hier versucht die Gesellschaft eine Krankheit einzuordnen, indem sie eine Seele verdammt.

Krebs ist nun eine Erkrankung, eine Krankheit, über die es sehr wenig gesichertes Wissen gibt, und deshalb ist Krebs eine Krankheit, um die sich zahllose Mythen und Geschichten ranken. Als Krankheit ist Krebs höchst unzureichend erforscht; als Leiden hat er gewaltige Ausmaße angenommen. Und wenn die Krankheit Krebs schon schwierig ist, vor dem Leiden Krebs kann man eigentlich nur verzagen.

Das erste, was Sie also wissen müssen, wenn bei Ihnen Krebs diagnostiziert wird, ist, daß fast alle Informationen, die Sie erhalten werden, mit Mythen durchsetzt sind. Und da die medizinische Wissenschaft, die Schulmedizin, in der Frage der Ursachen und auf dem Gebiet der Heilung des Krebses bisher weitgehend versagt hat, ist sie selbst mit unzähligen Mythen und Unwahrheiten behaftet.

Nur ein Beispiel: Die National Cancer Association der USA behauptet in landesweiten Anzeigenkampagnen, daß "die Hälfte der Krebserkrankungen jetzt heilbar" sei. Tatsache: In den letzten vierzig
[4] Jahren hat es bei Krebspatienten keinerlei signifikanten Anstieg der Überlebensrate gegeben - trotz des vielgepriesenen "Feldzugs gegen den Krebs" und der Einführung ausgeklügelter Bestrahlungstechniken, Chemotherapien und chirurgischer Eingriffe. Die einzige Ausnahme bilden die Blutkrebse, Morbus Hodgkin und Leukämie, die gut auf Chemotherapie ansprechen. Die kümmerlichen etwa 2 Prozent Anstieg der Überlebensrate bei den übrigen Krebsarten sind fast gänzlich auf Früherkennung zurückzuführen; ansonsten sind die Prognosen kein Jota besser geworden, und bei Brustkrebs sogar schlechter!

Ärzte wissen das natürlich, sie kennen die Statistik. Und manchmal erlebt man sogar, daß einer es zugibt. Peter Richards war einer von diesen Ärzten. Er sagte zu uns: "Wenn Sie sich die Krebsstatistiken der letzten vierzig Jahre ansehen, stellen Sie fest, daß keine unserer Therapien die Überlebensrate erhöht hat. Das ist so, als wäre auf einer Krebszelle, wenn sie in unserem Körper auftaucht, ein (Sterbe-)Datum verzeichnet. Wir können manchmal das symptomfreie Intervall verlängern, aber an dem Datum selbst ändern wir nichts. Wenn auf der Krebszelle 'fünf Jahre' steht, können wir Sie diese fünf Jahre einigermaßen symptomfrei und funktionsfähig halten, aber alle unsere Behandlungen können offenbar diese fünf Jahre nicht verlängern. Deswegen hat sich bei den Überlebensraten in beinahe vierzig Jahren nichts getan. Vor einem größeren Durchbruch auf der biochemisch-genetischen Ebene können wir mit keinem echten Fortschritt bei der Krebstherapie rechnen."

Was tut nun der Arzt in dieser Lage? Er weiß, daß seine Interventionsmethoden - Operation, Chemotherapie, Bestrahlung - letztlich nicht viel nützen, aber irgendwas muß er ja tun. Ganz einfach: Da er keine Herrschaft über die Krankheit hat, versucht er das Leiden unter Kontrolle zu bringen. Er versucht also, die Bedeutung des Krebs zu definieren, indem er dem Patienten eine bestimmte Betrachtungsweise der Krankheit verordnet, nämlich daß die Krankheit etwas ist, was der Arzt versteht und medizinisch behandeln kann, und daß jeder andere Ansatz nutzlos, wenn nicht schädlich sei. Das bedeutet in der Praxis, daß der Arzt zum Beispiel Chemotherapie verordnet,
obwohl er weiß, daß sie nichts bewirken wird.

Diese Erkenntnis war für mich absolut schockierend, aber diese Praxis ist durchaus üblich. In einem hoch angesehenen und von einem unbestrittenen Experten verfaßten Text über Krebs (The Wayward Cell von Victor Richards) wird ausführlich erörtert, weshalb Chemotherapie, unter diesen und jenen Umständen, nichts bewirkt; aber dann heißt es weiter, daß man die Chemotherapie unter eben diesen Umständen trotzdem verordnen soll. Weshalb? Weil das "den Patienten in seiner Ausrichtung auf die eigentlichen medizinischen Autoritäten bestätigt". Im Klartext: Der Patient wird so davon abgehalten, sich anderweitig umzutun, er wird von der Schulmedizin bei der Stange gehalten, einerlei ob sie in seinem Fall helfen kann oder nicht.

Das ist keine Behandlung der Krankheit, sondern die Behandlung dessen, was wir Leiden nannten; man versucht, dem Patienten ein bestimmtes Krankheitsverständnis und damit zugleich auch bestimmte Therapie-Alternativen zu suggerieren. Aber worum geht es hier, wenn die Behandlungen an der Krankheit doch nicht viel ändern? Es geht darum, daß sie das Leiden, das heißt die Einstellung des Patienten zu seiner Krankheit, beeinflussen und damit bestimmen, auf welche Autoritäten er hören wird und weiche Therapien er akzeptieren wird.

Ich mache den Ärzten deshalb keinen Vorwurf; sie sind weitgehend hilflos und die Patienten blicken mit verzweifelter Hoffnung zu ihnen auf. Und ich selbst bin noch nie einem Arzt begegnet, von dem ich annehmen mußte, daß er seine Patienten böswillig manipuliert. Im großen und ganzen sind diese Ärzte untadelige Menschen, die unter schier unmöglichen Bedingungen ihr Bestes geben. Sie sind hilflos wie wir. Nur ist eben die Krankheit selbst eigentlich eine ziemlich klare Sache, während das Leiden Glaubenssache ist, also religiösen Charakter hat. Da an der Krankheit Krebs nicht viel zu ändern ist, sind die Ärzte gezwungen, das Leiden Krebs zu behandeln; hier aber sind sie eher als Priester denn als Wissenschaftler gefragt, und für diese Rolle haben sie einfach die falsche Ausbildung. Aber in einer Demokratie der Leidenden wird, auf allgemeinen Wunsch, der Arzt zum Hohenpriester.

Das also ist der Punkt, von dem man ausgehen kann: Viel von dem, was gute und wohlmeinende Ärzte einem über Krebs sagen, ist mit Mythen vermischt, weil sie nicht einfach nur Ärzte sein können, sondern auch die Funktion des Priesters haben und mit der Bedeutung einer Krankheit jonglieren müssen. Was sie verlauten lassen, ist nur zum Teil Wissenschaft, zum anderen Teil Religion. Folge ihren Behandlungsplänen, und du findest Erlösung; wende dich anderswohin und du fällst der Verdammnis anheim.

So macht sich der Kranke an die intensive Erforschung praktisch aller verfügbaren alternativen Behandlungsmethoden: Makrobiotik, Gerson-Diät, Kelley-Enzyme, Burton, Burzynski, Operationen durch Geistheller, Heilung durch Glauben, Livingston-Wheeler, Hoxsey, Laetrile, hochdosierte Vitamine, Immuntherapie, Visualisation, Akupunktur, Affirmationen und so weiter.

Und wo die meisten schulmedizinischen Informationen entweder ohne Beweiskraft oder geradeheraus negativ sind, besteht alternative "Information" größtenteils aus der Beschreibung von Einzelfällen und ist unerbittlich positiv. Beim Lesen von alternativer Literatur befällt einen das schwindelerregende Gefühl, daß
jeder schulmedizinisch Behandelte stirbt und jeder alternativ Behandelte gerettet wird (mit Ausnahme derer, die vorher in den Klauen der Schulmedizin waren; die sterben alle). Schnell wird einem klar, daß die alternative Medizin - was auch immer sie gegen die Krankheit Krebs zu leisten vermag - sich hauptsächlich der Behandlung des Leidens Krebs widmet: positive Sinngebung, moralische Unterstützung, vor allem Hoffnung für die mit der Krankheit Geschlagenen. Ihre Ausrichtung und ihre Botschaft sind eher religiös als medizinisch, weshalb ihre Literatur auch praktisch keine wissenschaftlichen Untersuchungen bietet, dafür aber Hunderte von Glaubensbekenntnissen.

Zuerst geht es also wohl darum, sich durch diesen Informationsberg hindurcharbeiten, um vielleicht eine Handvoll Fakten (im Unterschied zu Propaganda) zu gewinnen, an denen man sich orientieren könnten. Dann müßte man sich mit dem Leiden Krebs auseinandersetzen, mit all den Bedeutungen und Urteilen, die unsere Kultur und ihre Subkulturen dieser Krankheit anhängen. Hier nur einige der meist sehr entschieden vorgetragenen Anschauungen:

  • 1. Christlich - die Botschaft der Fundamentalisten: Krankheit ist letztlich die Strafe Gottes für irgendeine Sünde. je schlimmer die Krankheit, desto schauriger die Sünde.
  • 2. New Age - Krankheit als Lektion: Du legst dir selbst diese Krankheit zu, weil du etwas Wichtiges durch sie zu lernen hast, um dann deine spirituelle Entwicklung fortsetzen zu können. Der Geist allein erzeugt die Krankheit, und der Geist allein kann sie heilen. Eine yuppisierte postmoderne Version der Christlichen Wissenschaft.
  • 3. Schulmedizin - Krankheit ist im wesentlichen eine biophysikalische Störung aufgrund von biophysikalischen Faktoren (von Viren über Traumata bis zu genetischer Veranlagung und auslösenden Umweltfaktoren). Bei den meisten Erkrankungen zerbricht man sich über psychologische und spirituelle Behandlungsformen am besten gar nicht erst den Kopf, denn meistens sind sie wirkungslos und verhindern eher, daß einem die richtige medizinische Versorgung zuteil wird.
  • 4. Karma - Krankheit ist die Folge von negativem Karma, das heißt, irgendein ungutes Handeln in der Vergangenheit (früheren Leben) reift jetzt zu einer Krankheit aus. Die Krankheit ist insofern "schlecht", als sie für frühere Missetaten steht; "gut" ist sie in dem Sinne, daß der Krankheitsprozeß selbst für das Verbrennen und Läutern der früheren Missetaten steht; er ist ein Purgatorium.
  • 5. Psychologisch - oder wie Woody Allen sagt: "Ich werde nicht wütend; ich kriege statt dessen Tumoren." Dahinter steht, zumindest in der Pop-Psychologie, daß verdrängte Emotionen Krankheiten verursachen. Die extreme Form: Krankheit ist Todesverlangen.
  • 6. Gnostisch - Krankheit ist eine Illusion. Das gesamte manifeste Universum ist ein Traum, ein Schatten, und frei von Krankheit kann man nur sein, wenn man von der Illusion des Manifestierten ganz frei ist, wenn man aus dem Traum erwacht und die Eine Wirklichkeit hinter dem manifesten Universum entdeckt. Der Geist ist die einzige Wirklichkeit, und im Geist gibt es keine Krankheit. Eine extreme und etwas verquere Spielart der Mystik.
  • 7. Existentiell - Die Krankheit an sich hat keine Bedeutung. Sie kann nur eine Bedeutung gewinnen, wenn ich ihr eine gebe, und ich allein bin verantwortlich für diese Entscheidung. Menschen sind endlich und sterblich, und die einzig authentische Haltung gegenüber der Krankheit besteht dann, sie als Aspekt unserer Endlichkeit zu akzeptieren, auch wenn wir ihr eine persönliche Bedeutung geben.
  • 8. Ganzheitlich oder holistisch - Krankheit ist das Produkt physischer, emotionaler, mentaler und spiritueller Faktoren, die nicht voneinander zu trennen sind und von denen keiner ignoriert werden kann. Die Behandlung muß alle diese Dimensionen berücksichtigen (was allerdings in der Praxis meist doch auf ein Umgehen von schulmedizinischen Therapien hinausläuft, auch wenn diese vielleicht helfen könnten).
  • 9. Magisch - Krankheit als Vergeltung: "Ich verdiene diese Krankheit, weil ich mir gewünscht habe, daß Soundso stirbt." Oder: "Ich tue mich besser nicht so sehr hervor, sonst passiert mir was Schlimmes." Oder: "Wenn ich zuviel Gutes erfahre, muß irgendwann was Schlechtes kommen." Und so weiter.
  • 10. Buddhistisch - Krankheit ist ein unausweichlicher Bestandteil der Erscheinungswelt. Die Frage nach dem Warum der Krankheit ist ebenso sinnlos wie die Frage nach dem Warum der Luft. Geburt, Alter, Krankheit und Tod - das sind die Kennzeichen dieser Welt, in der alle Phänomene flüchtig, leidvoll und ohne Selbst-Wesenheit sind. Erst in der Erleuchtung, dem reinen Nirvana-Gewahrsein, ist Krankheit endgültig transzendiert, denn dann ist die Welt der Phänomene überhaupt transzendiert.
  • 11. Wissenschaftlich - Worin die Krankheit auch bestehen mag, sie hat eine bestimmte Ursache oder Gruppe von Ursachen. Einige dieser Ursachen sind ermittelt, andere sind unberechenbare Zufallserscheinungen. Jedenfalls hat die Krankheit keine Bedeutung oder gar einen tieferen Sinn. Es gibt hier nur Zufall und Notwendigkeit.


Es liegt in der Natur des Menschen, daß er auf der Suche nach Sinn in einem Meer der Bedeutungen schwimmt - Wahnheiten.

Ein kleines Kind stößt beim Spielen gegen einen Tisch und erlebt den dabei ausgelösten plötzlich auftauchenden Schmerz als zu diesem Tisch gehörend. Die Mama unterstützt diese Sichtweise unbewußt mit den tröstend gemeinten Worten: "Der böse Tisch!". So oder so ähnlich verlaufen sehr viele Grunderfahrungen junger Menschen in der Begegnung mit der Welt - sie wird folgerichtig aufgeteilt in gut und böse, richtig und falsch - feste Glaubenssätze entstehen.

Später differenzieren sich diese Ansichten zu eigenen festen Meinungen über die Welt und das Leben und korrespondieren mit gelebtem Verhalten. Wenn in diesem Kontext Krankheiten auftauchen, werden diese wie der böse Tisch wahrgenommen: Der böse Krebs wird bekämpft und weggeschnitten. Der Träger des Krebses wird zum unschuldigen Opfer erklärt, dem man helfen muß - trösten wie Mami. Was läuft da falsch? Warum hat sich diese herrschende Meinung so fest etabliert?

Der Tisch hat niemals etwas aktiv getan; er stand nur herum - das Kind lief gegen ihn. Da es existenziell keine Krankheiten gibt, sondern nur kranke Menschen, ist eine Krankheit immer zum Krankheitsträger zugehörig - wird vom ihm "produziert". Hinter der Krankheit liegt immer ein aktives Geschehen für und vielleicht manchmal gegen die Regeln des Lebens. Jede Krankheit ist aktiv erzeugt, so wie der Schmerz, den das Kind spürt, wenn es gegen den Tisch stößt. Sollen wir jetzt den Tisch bekämpfen oder dem Kind geschickteres Laufen beibringen? Die Schulmedizin hat sich auf's Tischerücken spezialisiert - keiner kann besser Symptome bekämpfen als sie - doch von Heilung hat sie anscheinend wenig Ahnung.

Doch was ist Krankheit? Bei sehr vielen "Krankheiten" läßt sich feststellen, die Seele spricht zum Körper "Sag Du es ihm - auf mich hört er nicht". Ich brauche nur auf meine Wörter zu achten: ich hab die Nase voll; ist mir auf den Magen geschlagen; Laus über die Leber gelaufen. Jedesmal, wenn ich meinen Wörtern, leichter mit der Hilfe eines Gegenüber, nachgehen konnte, war im Nu meine Krankheit verschwunden.

Das läßt sich sogar systematisieren, z.B. mit der Meridian-Energie-Technik, dem BodyTalk-System oder mit der Synergetik.

Streßt mich ein starkes Gefühl oder ein Krankheitssymptom, so kann ich die zutreffende Formulierung finden und diese als Heilungssatz und als Behandlungssatz über die aus der Akupunktur bekannten Meridiane auf den Energiekörper bringen
[5]. Bei mir hat das in jedem Falle funktioniert!

Der Körper besitzt eine innere Weisheit, die uns mitteilen kann, was im Organismus nicht in Ordnung ist und wie und in welcher Reihenfolge wir die Gesundheit wiederherstellen können. Mit Hilfe des BodyTalk-Systems
[6] können wir zu dieser Weisheit Kontakt aufnehmen. Das klare, leicht durchzuführende Kommunikationsverfahren des BodyTalk läßt den Körper selbst zu Wort kommen, so daß jeder Anwender, ganz gleich mit welcher Heilmethode er arbeitet, seine Arbeit auf die Bedürfnisse des jeweiligen Organismus einstellen kann. So ist es nicht verwunderlich, daß Heilung schneller und effektiver geschieht, wenn Körper und Geist mit dem Anwender kooperieren. BodyTalk stellt ein eigenständiges Programm zur Verfügung, das für sich selbst stehen oder andere Therapieformen unterstützen kann. Der Körper besitzt die Fähigkeit, sich selbst tief und dauerhaft zu heilen.

Synergetik, entwickelt von Prof. Dr. Hermann Haken, beschreibt als eine neue moderne Strukturwissenschaft dieses neue Verständnis von der Welt. Sie ist die Wissenschaft vom Zusammenwirken von Teilen zu einem sich selbst strukturierenden Ganzen und erklärt im Verbunde mit anderen Strukturwissenschaften wie Systemtheorie und Chaostheorie so komplexe Geschehnisse wie die Entstehung von Schäfchenwolken, Meeressandmuster, Strudelbildungen sowie die vielfältigen Wachstums-, Regenerations- und Evolutionserscheinungen von Lebewesen. Diese Tendenz des Lebens, eine aus sich selbst herausgestaltete Entwicklung zu nehmen, läßt sich eindeutig auch in den Selbstorganisationsprozessen der Energiebilder im Gehirn wiederfinden. Jedoch gibt es dort Kräfte, die diese Selbststrukturierungsprozesse in bestimmte Richtungen lenken und so zu archetypischen Ordnungsmustern führen. D.h. man muß dem Gehirn nicht sagen, wohin es sich selbstorganisatorisch entwickeln soll, sondern nur die Prägungsblockaden dahin herausnehmen oder auflösen.

Das wesentliche Prinzip wird mit dem Begriff der Selbstorganisation umschrieben. Wahrnehmungsprozesse und Lernprozesse unterliegen auch diesem Prinzip, da das Gehirn ein sich selbst organisierendes Verhalten zeigt. In den synergetischen Innenweltreisen kann man dieses Prinzip der Selbstorganisation erleben, denn Wahrnehmungsveränderungen zeigen sich durch Veränderungen der inneren Bilder. Es ist wie eine aktive Selbsterfahrungsreise durch das eigene Gehirn. Das Know How wurde von Bernd Joschko
[7] in den letzten 20 Jahren gesammelt und in der Methode der Synergetik-Therapie [8] zusammengefaßt. Synergetik Therapie ist keine übliche Heilmethode, sondern eine Anleitung zur Selbstheilung durch Selbsterfahrung in der eigenen Innenwelt. Dies führt auffällig oft zu Selbstheilungsprozessen auch auf der Körperebene. Heilung kann nicht gezielt erzeugt werden, sondern ist das Nebenprodukt einer intensiven Selbsterfahrung und Lebensveränderung. Heilung ist hier in einem sehr umfassenden Sinne gemeint, etwa gemäß der bekannten Gesundheits-Definition der WHO.

Homo Sapiens sapiens, dieser domestizierte Primat, hat sich ja ziemlich weit entfernt von den Bedingungen einer artgerechten Haltung: Industriell denaturierte Nahrung, Massenhaltung in zu kleinen Käfigen, merkwürdige Bewegungsarten, Elektrosmog, eine Unzahl von neuen Chemiestoffen in der Umwelt, das sind alles Bedingungen, auf die sein Organismus nicht eingerichtet ist, mit denen er aber leben will
[9] und dabei die körperlichen Folgen in Kauf nimmt. [10]

Nur ein paar Beispiele: Nicht nur Umweltkatastrophen, auch täglich in die Atmosphäre geleiteten Nervengifte wie Blei und Quecksilber könnten die intellektuellen Fähigkeiten von Millionen von Kindern und Erwachsenen massiv beeinträchtigen. Bei einem Anstieg der Bleiwerte in Blut und Knochen nimmt der Intelligenzquotient ab. Die Formel lautet: Bei 10 Mikrogramm Blei auf 10 Milliliter Blut sinkt der IQ um 5 Punkte. Blei ist nun mal ein Fremdstoff für unser Nervensystem, es beeinflußt vor allem die Nervenleitgeschwindigkeit - die Nervenzellen können sich nicht mehr synchron entladen - und es beeinflußt die Enzymaktivitäten und den Calciumstoffwechsel. Das hat Folgen für die Leistungsfähigkeit und Vielfalt des Gehirns. Es gibt sogar Arbeiten, die Schäden für weniger als 5 Mikrogramm Blei pro Deziliter angeben. Die Selbstkontrolle der Chemieindustrie versagt beim Schutz der Menschen.

Besonders betroffen sind tatsächlich Kinder - nicht nur die der Dritten Welt, sondern alle. Am Ende einer Schwangerschaft und in der ersten Zeit nach der Geburt können Blei und Quecksilber das Wachstum und die Wahrnehmungsfähigkeit beeinträchtigen.

Bedeutsam ist auch Mangelernährung für die intellektuelle Entwicklung. Das Gehirn des Menschen macht mit rund 1,4 Kilogramm Gewicht etwa 2 Prozent des Körpergewichts aus; sein Energieverbrauch beträgt schon im Ruhezustand mehr als 20 Prozent vom Gesamtverbrauch des ganzen Körpers. Von jeglicher Energie, die wir aufnehmen, geht mindestens ein Fünftel an das Gehirn! Kinder, die mit 3 Jahren einer Unterernährung ausgesetzt waren, haben mit 11 Jahren einen niedrigeren IQ, auch bei sonst guten Lernbedingungen.

Kinder, die mit Kaiserschnitt entbunden wurden, haben ein höheres Risiko, an Diabetes, Asthma oder Krebs zu erkranken. Schwedische Forscher entdeckten bei Kindern, die mit einem Kaiserschnitt zur Welt gebracht worden waren, chemische Veränderungen an den Grundbausteinen der Erbsubstanz. Bei Kindern, die mit vaginaler Geburt geboren wurden, waren diese nicht nachweisbar. Eine entscheidende Rolle für diese Auffälligkeit könnte nach Meinung der Stockholmer Forscher das unterschiedliche Stressniveau für die Neugeborenen als Folge der beiden Entbindungsformen spielen. In Deutschland wurden laut Statistischem Bundesamt 2007 bereits knapp 30 Prozent aller Neugeborenen mit Hilfe des Chirurgen zur Welt gebracht. 1995 waren es nur halb so viele.

Sind die so Geschädigten krank oder gesund? Die Antwort scheint im Bewußtsein zu liegen. Gesund ist, wer noch nicht ausreichend untersucht wurde. Gesund ist, wer gar nicht darüber nachdenkt. Gesund ist, wer am Leben seiner Umwelt, seines Umfelds, ohne biologische, psychische oder soziale Einschränkung teilhat. Nicht, daß es an unterschiedlichen Definitionen fehlen würde, was unter Gesundheit zu verstehen ist. Ihnen allen gemein ist eines: Gesundheit ist eine Unbewußtheit, eine Selbstverständlichkeit, ein Zustand, der sich nicht selbst kennt, aber an seinen Auswirkungen zu erkennen ist, vor allem erstmal von außen.

Jemand, dessen Körper ihm keinen Streß bereitet, scheint ungehemmt seinem Willen folgen zu können. Das spielende Kind ist dafür das Vorbild - neidisch gucken Erwachsene zu, wie Kinder ihren Körper ohne jede erzwungene Rücksicht nutzen, ausprobieren - weil er frisch ist und reibungslos funktioniert. Umgekehrt sind das Entsetzen und das Erbarmen mit dem unheilbar kranken Kind um so größer. Denn nicht nur kann es sein Leid nicht verstehen, sein Anblick zerstört auch das Ideal: die Wunschvorstellung von unbewußter Gesundheit.

Für Erwachsene existiert dieser Zustand praktisch nicht, jedenfalls nicht in den reichen Ländern. Hier gehört zum Erwachsenwerden unweigerlich auch ein Körperbewußtsein, das umspült wird von gesellschaftlichen und kulturellen Warnungen vor Krankheit und Abnormalität. Solche Virtualitäten, Wahnnehmungen lasse ich in meinem Kopf sich verselbständigen und schmücke sie aus mit meinen Geschichten. Ich mäste einen virtuellen Virus.

Psychische Verletzungen können ja echt weh tun oder krank machen, weil dadurch physische Reaktionen ausgelöst werden. Anstatt daß die Psyche nun die falschen Realitäten als Virtualitäten erkennt, versucht sie mit der Auswirkung der Reaktionen fertig zu werden. Das entspricht jedoch nur einer kurzsichtigen Symptombehandlung. Die von der vermeintlichen "Realität" ausgelösten psychischen Schmerzen und Spannungen müssen jetzt gelindert, umgeleitet oder sonst irgendwie unschädlich gemacht werden.

Sicher, ein Knochenbruch muß geschient werden. Aber hat jede Abweichung von statistischen Normalwerten schon Krankheitswert? Sie hat wirtschaftlichen Wert für den Umsatz unserer Gesundheitsindustrie. Wer setzte die Norm? Daß Gesundheit das höchste Gut sei, ist erst eine Erfindung unserer hysterisierten Gesellschaft.

Gesundheit hat sich zur Religion verändert
[11]. Wobei der Ansatz, Gesundheit zur Religion, Gesundheitsverhalten zum religiösen Ritual, Ärzte zu Priestern und den gesunden Körper zur Gottheit zu erklären, ja etwas für sich hat. Meist sind es die Priester, sprich, die Ärzte selbst, die vom Anspruchsdenken entnervt darauf hinweisen, daß der Kult, von dem sie selbst profitieren, wenig Rationales an sich hat, jedenfalls was den ursprünglichen Job, das Heilen, angeht.

Das Anspruchsdenken entspringt der religiösen Überzeugung, daß eine Gesellschaft, die Gesundheit als höchsten gemeinsamen Wert kennt, natürlich gerne bereit sei, alles dort hinein zu investieren. So gesehen wäre die Gesundheitsreligion nicht wie andere Religionen Grundlage einer Kultur von Bescheidenheit und Beschränkung hin auf einen höheren Sinn, sondern einer Kultur des Forderns und der Selbstvervollkommnung.

Pascal Bruckner schrieb [12] "... Ebenso bringt uns der Gesundheitsfanatismus dazu, jeden einzelnen Moment des Lebens zu "medikalisieren", anstatt uns eine angenehme Sorglosigkeit zu erlauben. Alles, was bisher zum Savoir-vivre gehört hatte, wird nun therapeutisch interpretiert: Gemeinschaftliche Rituale und Annehmlichkeiten werden in Sorgen verwandelt und gemäß ihrem Nutzen oder ihrer Schädlichkeit eingestuft. Die Nahrung, beispielsweise, wird nicht mehr nach gut oder schlecht unterschieden, sondern nach gesund oder ungesund. Das Vorschriftsmäßige siegt über das Schmackhafte, das Ausgewogene über das Einseitige. Der Tisch ist nicht mehr nur ein Altar der Köstlichkeiten, ein Moment des Miteinander und des Austauschs, sondern auch ein Apothekertisch, auf dem man minutlös Fette und Kalorien abwiegt und gewissenhaft Nahrungsmittel kaut, die nur noch Medikamente sind. Denn es geht nicht mehr darum, die uns gewährte Zeit voll auszukosten, sondern so lange wie möglich durchzuhalten: Auf die Vorstellung von Lebensabschnitten folgt die der Langlebigkeit.

Doch unsere erbärmlichen Ausflüge ins gelobte Land der vollkommenen Gesundheit stehen den Kasteiungen der Frommen von einst in nichts nach. Indem man jegliche Anomalie, jegliche Schwäche eliminieren will, leugnet man am Ende die grundlegende Tugend der Gesundheit: die Gleichgültigkeit gegenüber sich selbst oder, wie Leriche sagte, die "Stille der Organe" (auch wenn diese trügerisch ist). Man trägt das Büßerhemd nicht mehr, um die Leidenschaft des rebellischen Fleisches zu zügeln, sondern um den Körper dafür zu bestrafen, daß er nicht dem Ideal entspricht. Ein Erfolg der alten christlichen Verheißung der Unsterblichkeit und der Auferstehung der "ruhmreichen Körper", die unveränderlich, unverweslich und unvergänglich waren, und von der die gesamte Science-fiction nur ein Abklatsch ist. Unser wissenschaftsgläubiger Größenwahn ist direkt aus der Religion hervorgegangen, als deren Vollendung er sich versteht. ..."

Viele Menschen sind so von ihrem Weg abgekommen. Sie ignorieren den Weg ihres Herzens, weil es ihnen sicherer erscheint, so unglaublich das klingen mag. Es scheint, es gibt Millionen von Leuten, die in erster Linie alt werden wollen, als wären sie Sklaven ihrer Körper. Anstatt sich als Menschen hin zum Guten oder gegen das Böse zu wenden, behaupten sie einfach, das sei Sache der Regierungen. Und die Regierungen sagen dann, zum Erhalt der Sicherheit müsse es Armeen geben, also werden Armeen ausgehoben - viele Arten von Armeen, Soldaten, Sozialarbeiter, Mediziner und andere Arten. Alle diese Armeen wiederum bestehen auf Kriegen, um Sicherheit zu garantieren, also werden Kriege geführt. Und Kriege töten Kinder und verschlingen Seelen, die keine Gelegenheit hatten, Reife zu erlangen. Und das alles nur, weil die Menschen lieber alt werden wollen, anstatt wahrhaftig zu sein.

Wenn die Oberpriester
der Gesundheitsreligion, die medizinischen Verbandsfunktionäre von "Ethik des Heilens" reden, wird der Fundamentalismus und die Archaik dieser Religion deutlich: Sie verlangt Menschenopfer, indem sie lebendige Menschen, die jedoch ihr Großhirn ausgeschaltet haben und mit denen kommuniziert werden kann (vgl. 4.12 Selbstverantwortung, Fußnote "Dialog mit den Sprachlosen"), zu Hirn-"Toten" erklärt und zum Ausschlachten freigibt für Organtransplantationen. Und ebenso verlangt ihr Kult auch Opfer durch Sterbeverlängerung.

Wir leiden kollektiv an einer Normopathie
[13]. Ich kenne viele "Behinderte". Jede/r von ihnen ist für mich ein besonderes Geschenk mit eigenartigen Begabungen, die mir Normopathen fehlen. Niemand kann für einen anderen bestimmen, was Lebensqualität ist. Dennoch, landläufig wird Gesundheit als Abwesenheit von störenden Symptomen verstanden. Was stört wen und warum? Kein Arzt konnte mir sagen, was gesund 'wirklich' sei. Was ist die Krankheit, was das Symptom, was die Reinigung, was die Heilung? Was ist nur Folge von Pharma-Werbung?

Am Krankenbett streiten die Chirurgen mit den Internisten, die mit den Psychologen. Schulmediziner, Heilpraktiker, Homöopathen, Anthroposophen, Ayurvediker, Schamanen, Geistheiler, jeder in seinem System von Wahrheit und Wahnheit, alle führen miteinander, gegeneinander Glaubenskriege. Gilt: "Wer heilt, hat recht"? Der Kranke kann sich zum Objekt von Heilungsbegierden machen. Der Kranke aber braucht keine Ersatzteile wie eine triviale Maschine.

Der Mensch ist keine Anordnung von Zellhaufen, in oder zwischen denen irgend etwas physikalisch, chemisch oder biologisch, psychologisch oder metaphysisch aus dem Gleis gelaufen sei, sondern ist ein Mensch, ein Wesen von Körper, Geist und Seele - jedes Organ eine Ganzheit, ihn verkörpernd in einem Aspekt seines Wesens. Jede Zelle enthält die komplette Bibliothek seiner Gene und damit ein Script der Möglichkeiten dieses einzigartigen Menschen, die Gene als das Klavier auf dem die Epigenetik die Melodien dieses Lebens des
Menschen spielt.

Dieser Mensch ist ein sich selbst organisierendes Universum von Universen. Mittelpunkt des ganzen Universums; schlichte Mathematik - 'im Unendlichen ist jeder Punkt der Mittelpunkt'. Und doch nur ein Punkt. An der großen, universalen Ganzheit gemessen ist dieser Mensch noch weniger als ein Staubkorn, bewegt von Winden, die sein Wahrnehmungsvermögen weit übersteigen. Und er ist dennoch vollständige Ganzheit, die auf dieses Wehen nur selbst antwortet, im alltäglichen, kollektiven Handeln [14] und auch wo er persönlich, nichts ahnend, von anderen Kräften in Dienst genommen wird, oder, ahnend, "in der Furcht des Herrn" steht, wie das die christlichen Kirchenväter mal formuliert haben.

Wie für jeden Menschen im Alltag ist auch für den Kranken, ist diese universale Fülle teilweise verborgen. Ich könnte ihn fragen "Was ist das in Dir, das nicht sein darf?" Was ist das Verborgene, das Abgelehnte? Therapie (gr.: 'therapeuo' = dienen, verehren, [aus-]bilden) oder 'Behandlung' (= mit den Händen führen) könnte mich, den Kranken, erkennen lassen, wer ich alles bin, und sei es noch so schrecklich. Therapie könnte mich unterstützen, das dann anzunehmen - bedingungslos, ohne wenn und aber. Mir fließt dann alle Kraft dessen zu, wer und was ich bin. Auch alle die Kraft, die ich bis dahin in den Versuch gesteckt hatte, Anteile, die nicht sein durften - warum auch immer - zu unterdrücken. Ich war kraftlos geworden, weil ich die Kraft der unterdrückten Anteile nicht offen hatte, diese Kraft statt dessen dazu benutzt hatte, diese Anteile zu unterdrücken. Ich hatte Virtualitäten und Realitäten verwechselt.

Es könnte genauso sein, daß ich in dem Gewebe der unwißbaren Realität gar nicht der Aktive bin, daß ich einfach zu dienen habe. Jemand verwickelt mich in einen Unfall und für ihn ist das die wichtige Lehre für sein Leben. Es könnte genauso sein, daß mein Kranksein, meine Verwirrung einfach erstmal praktische Handreichung erfordert. Der Zuckerspiegel ist zu hoch, mein Wasserhaushalt ist durcheinander - erstmal drei Wochen jeden Tag drei Liter Wasser trinken. Danach kann wieder Normalität eintreten, der bewußtlose Zustand von 'gesund'.

Sicher, es geht auch ganz anders. Ein Freund schrieb kürzlich: "Zur Zeit höre ich eine wundervolle Atem-CD von Jesu Kabbal, einem Mystiker. Es wird auch dadurch so klar, all die tiefen Probleme kann ich mir anschauen, wenn sie beim tiefen Atem hervorkommen. Und ich atme weiter und erkenne, nur ein Film, der da vor mir abläuft. Mit Weinen und Lachen schaue ich mir in kürzester Zeit meine Geschichte selber an, unter dem Motto, sei dein eigener Arzt, mache einen Hausbesuch bei Dir selber. ... Keiner braucht etwas machen. Es macht sich von alleine, nicht auf der gedanklichen Ebene, sondern tiefer. Wer schon einmal von seinem Lachen "überfallen" wurde und wer einem solchen "Überfallenen" in die Augen geschaut hat, der weiß das; und das können wir üben
[15]."

Jede Erinnerung ist mit allen zur gleichen Zeit gehabten Sinneseindrücken abgespeichert. Das Unbewußte ist in der Lage, durch einen Eindruck beziehungsweise ein Bild, das in ihm abgespeichert ist, auch Bruchstücke von Reizen zu diesem Bild zu ergänzen. Mutter Natur hat es im Laufe der Evolution für nützlich gehalten, dass wir nur 10% unserer Sinneseindrücke benutzen - die restlichen 90% tut das Gehirn aus seinem Fundus dazu. Das bedeutet, wir brauchen nur Bruchstücke einer Information, und unser Unbewußte vergleicht die Bruchstücke mit den in ihm existierenden Bildern. Wenn es fündig wird, erfolgt sofort die Reaktion. Auf diese Weise entsteht eine Früherkennung, aber auch die Möglichkeit der völligen Fehleinschätzung.

Der Mensch projiziert sein Erfahrungsbild in das Bruchstück des Geschehens und reagiert entsprechend seinem Erfahrungsbild. Die Wirklichkeit wird geschaffen, nicht erkannt. Im Gegenteil, sein etwaiges negatives Erfahrungsbild wird verstärkt, und er kann noch empfindlicher reagieren, er hört sozusagen das Gras wachsen. Der Mensch nimmt seine Gegenwart nicht mehr wahr. Er lebt in der Vergangenheit seiner Erfahrungen und erwartet so die Zukunft.

Das heißt, seine Erlebnisse, die im Unbewußten abgespeichert sind, prägen die Wahrnehmungen der Gegenwart. Und eben eine solche Funktion engt den Menschen in der Regel ein. Das kann zu Lebensunlust, Depressionen, Gewalt, Gemeinschaftsunfähigkeit und Krankheit führen. Wichtig für den inneren Selbstorganisationsprozeß ist die Konfrontation mit den zu bearbeitenden Problemen. Auf Innenweltreisen, z.B., können verdrängte Inhalte sichtbar werden. Der auf einer solchen Innenweltreise auftauchende Vater beispielsweise ist nicht der real existierende Vater des Klienten, sondern das Erinnerungsbild dieses Vaters auf der Symbolebene, das aus den vergangenen (Kindheits-)Erlebnissen des Klienten gespeist wird. Dieses Vaterbild lebt nun in uns weiter, weil in Kopf und Bauch, in unseren beiden Hirnen die neuronalen Verbindungen dauerhaft daran geknüpft sind.

Gelingt es uns, ein negatives Erinnerungsbild positiv zu verändern, strukturieren sich auch die Gehirnverbindungen neu. Und so lassen sich Ereignisse im Nachhinein korrigieren. Begleitet von biochemischen Prozessen der neuronalen Umstrukturierung finden Gefühle wie unterdrückte Wut, Verzweiflung und Traurigkeit ein Ventil, um ausgedrückt und aufgelöst zu werden.
[16] Eine Möglichkeit, die Dinge zu sehen. Ärgerlich wird das, wenn jemand sowas zur alleinseligmachenden Lehre erhebt, oder es gar zur esoterischen Weisheit verklärt.

Viele Menschen haben die Erfahrung gemacht, daß Ärzte vor allem versuchen, die Symptome der Krankheiten zu beheben, ohne sich sonderlich um die Hintergründe zu kümmern. Doch das natürliche System des Menschen funktioniert synergetisch. Die frei fließende Energie der Zellen, benannt als "Körperweisheit", kann sich verbinden mit den ordnenden Funktionen des Bewußtseins und des freien Willens. Das "Herumdoktern" an Symptomen muß auf lange Sicht versagen, weil es nur an der Oberfläche ansetzt. Ein Therapeut, der das Thema des Patienten gar nicht kennt oder es sogar in sich selber ablehnt, wird nicht dem Patienten helfen können, dieses Thema bei sich anzunehmen. Solch ein Therapeut kann gut darin sein, das Symptom, den Schmerz, die Bazillen wegzumachen, Herz oder Leber zu transplantieren, den Krebs zu bestrahlen. Die Biopathie, wie Wilhelm Reich das nannte, die "Krankheit am Leben"
[17] bleibt unverändert.

Es bedarf aber des Therapeuten, des dienenden Gegenüber, des Anderen, des zweiten Systems, damit ich, der Kranke, meine Isolation aufbrechen, neu in Resonanz treten kann, denn alle Krankheit kann ja auch als Verhärtung der Regulationssysteme verstanden werden. Das ermöglicht mir, die Informationen und Entscheidungen zur zerstörenden Veränderung, z.B. Veränderung durch den Krebs oder die Lungenentzündung, die von meiner Kränkung herrühren, neu zu bewerten, meine Tradition neu zu formulieren, neue Informationen
zuzulassen. Damit ändert sich meine 'objektive' Realität. Dabei kann offen bleiben, ob diese Entscheidungen zur zerstörenden Veränderung sich nicht auch äußern im plötzlichen Unfall. In der psychosomatischen Medizin gibt es genug Beispiele dafür.

Die Selbstverantwortung rückte dadurch immer mehr in den Mittelpunkt: Das Individuum als Kreator seines eigenen Lebens - als Schöpfer von Freude und Leid - legt auch die Aufgabe nahe, sich ebenfalls, ohne Schuldgefühle, ohne Selbstmitleid, nur als urteilsloser Beobachter, als den Schöpfer seiner Krankheiten zu verstehen und diese dann auch folgerichtig selbst aufzulösen. Aus diesem Hintergrund heraus ist auch die Methode der Synergetik-Therapie zu sehen, die sich selbst als Anleitung zur Selbstheilung versteht und großartige Erfolge bei der Auflösung von Krankheitshintergründen vorzuweisen hat. Die gezielte Erzeugung von Spontanremissionen ist machbar - ein Widerspruch in sich, so wie der scheinbare Widerspruch des deterministischen Chaos?

Was hat Synergetik mit Selbstheilung zu tun oder warum laufen Selbstheilungsprozesse per Selbstorganisation. Eine Welterklärung, die sich auf mechanische Gesetze beruft, greift zu kurz. Sie reduziert die Vielfalt der lebendigen Welt und befriedigt nur den Wunsch nach Überschaubarkeit und Kontrolle. Doch auch diese angebliche Herrschaft über Krankheiten ist längst eine massive Selbsttäuschung geworden, denn bisher konnte z.B. die Krankheit Krebs nicht erklärt oder gar "geheilt" werden.

Die Synergetik-Therapie hat ihre Erkenntnisse aus Selbstheilungsprozessen gewonnen, die Menschen an sich durchgeführt haben. Die Basis echter Heilungsprozesse ist nicht die Erforschung von Krankheiten, sondern die Erforschung von Innenwelten kranker Menschen. Somit ist die Anwendung dieser Methode an die Bearbeitung und Veränderung von Innenwelten gebunden. Dies kann nur jeder selbst durchführen. Der Klient, der dies erlebt, verändert gleichzeitig die Wahrnehmungsprozesse über seine Welt, d.h. die Beschäftigung mit der Wirkungsweise der Welt verändert
wiederum diese Welt. Hier handelt es sich also um Rückkoppelungen, die Neues entstehen lassen. Sie erzeugen Emergenz (das Auftreten neuer, nicht voraussagbarer Qualitäten beim Zusammenwirken mehrerer Faktoren) und sind mit den Prinzipien der Selbstorganisation erklärbar.

In der Psychosomatischen Medizin ist eines
der wahrscheinlich heilsamsten Durchgangsgefühle zur Heilung die Trauer - die Trauer über die Einschränkung oder den Defekt, den ich habe. Aber genau das in seiner Komplexität und Tragweite zu spüren, macht mich reich und bringt mich dazu, meine Einzigartigkeit zu erkennen. Die Trauer über Beziehungen, über das, was ich nicht bekommen habe - wenn ich das wirklich betrauere und somit loslasse, erlebe ich nicht einen Mangel, sondern Fülle. Denn ich entdecke, was ich tatsächlich alles bekommen habe. Der Prozeß des Loslassens ist sicherlich die Trauer; dahinter kommt die Liebe. Manchmal führt der Weg auch über den Schmerz. Wenn ich das, was sich in mir als Erfahrungen angelagert hat, was ich damals nicht fühlen konnte, jetzt in seiner Gesamtheit und Komplexität fühle, dann kann ich es auch verarbeiten und integrieren. Das kann auch manchmal die Wut sein. Es sind unterschiedliche Gefühlsqualitäten, die wir vermeiden - Haß, Wut, Ärger, Neid - aber die Trauer ist das Wesentlichste im Prozeß des Loslassens. Die Trauer ist das, was uns wieder ganz werden läßt.

Sicher braucht es Voraussetzungen, um trauern zu können? Wichtig ist es, korrigierende oder neue Erfahrungen zu machen über das, was ich kann, brauche oder will. Das Stärken des eigenen Selbstwertgefühles ist sehr wichtig, um überhaupt Trauerarbeit leisten zu können, um bestimmte Gefühle aushalten zu können. Es ist fast immer notwendig, daß erst einmal etwas Gutes hinzukommt.

Das können schöne Erfahrungen sein, etwas, das einem Freude macht. Ich habe dafür das Bild, daß wir wie ein Schwimmbecken sind, das voll von trübem und schmutzigem Wasser ist - da ist es notwendig, daß auf der einen Seite frisches Wasser hinzukommt. Aber irgendwann ist dann das Schwimmbecken voll, und je voller es ist, desto weniger frisches Wasser - neue Erfahrungen - passen hinein. Deshalb ist es wichtig, trübes Wasser abzulassen. Das sind die Tränen der Trauer. Dieser wechselseitige Prozeß zeigt auch, daß es keinen Durchbruch gibt. Das ist eine Vorstellung, die viele Patienten erst einmal haben, bis sie bemerken: Wenn ich aus meinem Gefängnis mit dem Kopf durch die Wand breche, lande ich meist nur in der Nachbarzelle. Es gibt eben den langen, langsamen Wandlungsprozeß zwischen "Neues reinlassen" und "Altes rauslassen" - heilsame neue Erfahrungen und Trauer. Zwischendurch gehört dazu, in dem trüben Wasser zu rühren, das heißt, sich der angelagerten, der unterdrückten, der ungeliebten, als negativ bewerteten Gefühle bewußt zu werden.

Meist führt einen doch erst körperliches oder seelisches Leiden dahin, daß man eine Therapie sucht, sich auf den Weg macht und das Alte losläßt. "ich liebe und akzeptiere mich so wie ich bin" will ja nicht heißen "ich halte fest wie ich bin".

Könnte es nicht sein, daß jedes Symptom - jede Krankheit - uns auf etwas aufmerksam machen will? Ich das sehe so. Ein Mensch zum Beispiel hatte starke Kältegefühle am Rücken und in den Armen und das war deutlich fühlbar. Er meint, daß diese Kälte etwas damit zu tun hat, daß er von seinen Eltern viel geschlagen wurde, was ja bedeutet, die Urbindung ist unterbrochen: Die Liebe, die wir ja oft mit Wärme assoziieren, kann hier nicht fließen.

Er macht nun die Erfahrung, daß freundlicher Körperkontakt zur Erwärmung seiner Haut führt, nicht nur äußerlich, physikalisch, sondern daß sie innerlich erweitert, belebter und besser durchblutet wird, was auch zur Erwärmung der Haut führt. Er bemerkt dadurch, daß nicht die Haut das Kranke ist, sondern im Gegenteil: Die Haut sehr gesund ist, denn die weiß noch, was sie braucht, während der Verstand es vergessen hat.

Dieser Prozeß - die Symbolisierung zu verstehen, die der Körper leistet und ihm zu vertrauen, daß er noch in der Tiefe weiß, was er braucht - führt dazu, die Symptome, das Leiden liebevoll anzuhören und zu umarmen. So gesehen sind Symptome nichts, was es wegzumachen gilt, sondern sie gehören zum Reichtum, zum Ganzer- und Heilerwerden. Symptome sind eigentlich Wegweiser. Bis zur Erkenntnis, daß das Symptom eigentlich noch das Gesündeste an mir ist.

Die Frage ist also schon gar nicht: Wie werde ich ein Symptom los? Sondern einfacher: Wie lebe ich mein Leben und gönne mir das, was ich mir noch gönnen möchte, mit und trotz dieses Symptoms. Es geht also darum, das Symptom zu integrieren und damit zu leben in einer Art und Weise, daß ich dadurch nicht beeinträchtigt bin in dem, was ich gerne verwirklichen möchte. Und das heißt oft, daß nicht mehr ein Symptom
mich hat, sondern daß der Raum, zu dem ich sage: "Der bin ich" weiter wird, und das Symptom darf ein Teil sein. Vielleicht kommt auch der Tag, an dem ich es liebevoll gehen lassen kann, weil es mir ausgedient hat. Wichtig ist, daß ich mit dem Symptom nicht identifiziert bin, sondern es einfach nur ein Teil von mir ist.

Letztlich geht es um den Erfahrungsreichtum, der die Voraussetzung dafür ist, sich transformieren zu können. Und Erfahrungsreichtum umfaßt die angenehme und die unangenehme Erfahrung. Es geht also im Leben nicht darum, frei von Leid zu sein, sondern präsent und anwesend zu sein, zwar Leid anscheinend zu
haben, aber nicht Leid zu sein, sich vom Leid nicht das Leben bestimmen zu lassen. Das bedeutet für mich "heiler sein", "ganzer sein".

Medizin und Psychotherapie ist zu sehr auf die gesundheitlichen Gefahren, Risiken und Beschädigungen konzentriert, auf die Pathogenese, die Krankheitsentstehung. Vernachlässigt wird die Salutogenese, also die Hinwendung zu den inneren Stärken und Ressourcen eines Patienten für seine Gesundung - und dazu gehört auch, dass die Ärzte dessen Hoffnungen und Sehnsüchte in ihr Menschenbild und in ihr therapeutisches Tun einbeziehen. Denn je mehr ich nach den tiefsten Sehnsüchten dieses Menschen fahnde, um so mehr werde ich Verknüpfungspunkte für eine gute Beziehung finden, und um so eher werde ich ihn wirklich dabei unterstützen können, dass er zumindest in Ansätzen etwas von dem findet, was er wirklich sucht.

In der gegenwärtigen Psychotherapie und Psychosomatik achtet man viel stärker auf Konflikte, neurotische Strukturen, ungünstige Verläufe in der Biographie des Patienten. Sicher ist das wichtig für den zweiten Schritt, den Schutt aus dem Weg zu räumen indem ich schaue, woher ich komme - unabänderliche Vergangenheit. Doch der erste Schritt will wissen, wohin ich will - welchen Weg will ich wählen, unwissbare, aber gestaltbare Zukunft. Wofür will ich noch leben? Wer bin ich jetzt und welche Möglichkeiten stehen mir jetzt offen.

Krankheit wird ja meist als Beeinträchtigung erlebt, Einschränkungen, an denen ich mein Gefühl von Leiden festmache oder die meine Umwelt als Behinderungen ansieht. Das sind Ansichten, Attribuierungen, Wahnnehmungen. Reale Dinge werden 'wahrgenommen', aber virtuelle Dinge werden 'wahngenommen' ( 4.7 Wahnnehmen). Mit der Frage nach dem Wohin eröffne ich mir Lösungen, öffnet sich mein Blick für meine Wahrheit jetzt. Der Kampf mit der Realität hört auf und meine Kraft wird frei für neue Entscheidungen. Diese Kraft aus meiner Wahrheit kann mich neue Wege erkennen lassen und meine Möglichkeiten, einen dieser Wege zu gehen.

Eine wirkliche Neuerung im Ethos der Medizin gibt es doch: Der Gedanke der Patientenautonomie ist eine Errungenschaft der letzten 50 Jahre. Niemals zuvor kamen Ärzte auf den Gedanken, ihre Patienten in die Therapieentscheidungen einzubeziehen und den eigenen väterlich-fürsorglichen Paternalismus in Frage zu stellen. Höchstens bei der Frage der Sterbehilfe gestanden die meisten, wenngleich nicht alle Ärzte dem Betroffenen ein Mitspracherecht zu. Schließlich fragten sich Ärzte zu allen Zeiten, ob sie Todkranke behandeln sollen. Warum kann der medizinische Fortschritt Ärzte heute dazu verführen, den Tod mit allen technischen Mitteln hinauszuschieben - koste es, was es wolle, selbst die Würde des Patienten?

Ken Wilber, in
Halbzeit der Evolution, ließ mich tiefer erfassen, wie und warum die Menschen den Tod verdrängen oder ihre Sterblichkeit leugnen und sich davor verstecken. Er zeigt hier für alle Hauptepochen der Bewußtseinsentwicklung auf, wie die Menschen durch "Unsterblichkeitssymbole" den Tod loszuwerden versuchen. Die große Verdrängung ist die des Todes, nicht die der Sexualität. Der Tod ist das letzte, das große Tabu. Als ich las, mit welch unerschöpflichem Erfindungsreichtum die Menschheit versucht hat, den Tod zu leugnen, zu "vergessen", zu umgehen, fiel es mir leichter, mir den Tod einfach anzusehen, anstatt ihn wegzuschieben. Außerdem ging es Wilber ja in diesem Buch letztlich darum, daß spirituelle Entwicklung nur stattfinden kann, wenn man mit dem Tod ins reine gekommen ist und ihn akzeptiert hat. Man muß dem Ego sterben, um als Geist erwachen zu können. Die Leugnung des Todes ist die Leugnung Gottes.

Halbzeit der Evolution nimmt mir alle Möglichkeiten der Selbsttäuschung aus der Hand; es zeigt mir, was wir da mit uns machen, und warum und wie wir es machen. Der Tod ist in unserer Zeit und für unsere Kultur eine überdeutliche Realität geworden, und wenn man ihn unter diesen Umständen noch leugnen, ihm ausweichen will, braucht man stärkere und zugleich subtilere Mittel. Die Existenzphilosophen haben immer wieder darauf hingewiesen, daß Todesverneinung zugleich Lebensverneinung ist, da Leben und Tod nicht voneinander zu trennen sind. Habe ich Angst vor dem Tod, dann bin ich mutlos im Leben, immer in Sorge über alles, was mir passieren könnte. Kurz, je mehr ich den Tod fürchte, desto mehr fürchte ich das Leben und desto weniger lebe ich. Nun kann ich einsehen, daß nicht Lebenswille, sondern eigentlich Todesfurcht hinter meiner Besorgnis angesichts von Symptomen steht. Die Kehrseite des Lebenswillens, sein natürlicher Schatten, ist Todesfurcht. Das Festhalten am Leben ist die Angst vor dem Loslassen.

Krankheit kann, statt als technischer Defekt an Teilen, dann als Herausforderung zum Reifen des Ganzen zu seiner Ganzheit verstanden werden, auch wenn diese Reifung zu einer existentiellen Wandlung des Organismus, nämlich zum Tod des Körpers führt. Doch wir leben in einer Zivilisation der Todesfurcht, die sich auf 'Objektivität' im Trivialen versteift hat. Und, die ein "Lebensrecht" umdeutet zur "Lebenspflicht".

Viele haben daher Horror vor solchen Medizinmechanikern. Dieser Horror bringt immer mehr Menschen dazu, durch Patientenverfügungen
[18] und Vorsorgevollmachten [19] in gesunden Tagen und bei klarem Verstand ihre Entscheidungen für später festzulegen. Zu entscheiden ist: Wenn ich an die Schwelle zum Übergang komme, dann will ich mir von einem Mediziner nicht zeigen lassen, was er alles noch machen kann. Nein! Was ich alles lassen will, wo definiere ich für mich diese Schwelle, das will ich ihm mit meiner Patientenverfügung zeigen.

Nicht zuletzt die extreme Politisierung des Schicksals der Wachkoma-Patientin Terri Schiavo und das enorme Interesse der Medien haben dazu beigetragen, daß ein Sterben in Würde ihr verwehrt blieb. Sie war eben nicht diejenige, die über die Umstände ihres Sterbens bestimmen konnte. Stattdessen haben ihr Ehemann, ihre Eltern, Anwälte, Richter, religiöse Fanatiker und nicht zuletzt Politiker öffentlich und geradezu haßerfüllt über ihre Existenz gestritten. Die christlichen Rechten fordern, was Gott als Leben gab, darf der Mensch nicht beenden. Dabei wird verschwiegen, daß dieser Gott ja gerade dieses Leben durch Unfall oder Krankheit beenden wollte, jedoch die Mediziner mittels ihrer Techniken dieses Ende verhindert haben. Das Beenden ihrer Hybris steht zur Diskussion.

Weithin wird so geredet, als sei es mit Schmerzlinderung und der persönlichen Sterbebegleitung getan. Doch gibt es eine Zahl von Menschen, denen das nichts nützt,
nicht nur weil es zahlreiche unbehandelbare Schmerzarten gibt, sondern auch weil es eben bei einem würdigen Sterben nicht nur um Schmerzlinderung geht. Die Würde ist ein Phänomen, das jenseits der Schmerzen noch andere Kategorien kennt. Unsere Rechtsordnung spricht dem autonomen Sterbewillen jegliche rechtliche Bedeutung ab. Das Nebeneinander der Strafbarkeit des aktiven Tötens auf Verlangen und der Strafbarkeit durch Unterlassen von Hilfe macht die derzeitige Rechtslage in Deutschland besonders skurril. So macht sich eine Ehefrau zwar nicht dadurch strafbar, daß sie ihrem Ehemann die tödliche Flüssigkeit hinstellt, wohl aber dadurch, daß sie danach nicht sofort, nachdem dieser das Mittel zu sich genommen hat, den Notarzt ruft, um lebenserhaltende Maßnahmen einleiten zu lassen .

Es mag sein, daß in anderen, mir fremden Kulturen eine menschliche Existenz ohne "Ich" und ohne "freien Willen" denkbar ist. Wir hier haben uns ganz mehrheitlich auf ein Verständnis von Menschhaftigkeit mit "Ich" und mit "freiem Willen" geeinigt. Dafür spricht ja auch z.B. das Transplantationsgesetz, das den Hirntoten zum Ausschlachten seiner Organe freigibt, sogar ohne Zustimmung des "Patienten". Ich will meinen Glauben geachtet wissen, wonach der Geist sich den Körper bildet. Und wenn er zu einer erneuten Wandlung ansetzt, diesmal durch den Tod des Körpers, so gebe ich niemand das Recht, dies zu verhindern. Das ist wahre Lebenshilfe, weil der Tod als das andere Ende von Geburt zum Leben gehört.

Für mich wird das zur Perversion in dem weiten Thema 'Organtransplantation' (der Ermordung sogenannter 'Hirntoter' zum wirtschaftlichen Nutzen der Pharmaindustrie aus der notwendigen, sehr teuren Dauermedikation der Transplantierten).

Naturgeschichte ist Kulturgeschichte.
[20] " ... Unser Wissen vom Körper, unser Körpermodell, verdankt sich ja der Anatomie. Im 14. Jh. wurden zum ersten Mal in Folge der Pest Leichen seziert. Man wollte in den Körper schauen, um die Todesursache zu eruieren. Systematischer betrieb man das Leichensezieren erst im 16. Jh. Leichensektion war eine starke Tabuüberschreitung - und ist es immer noch. Das Tabu war darin begründet, daß der Tote nicht als endgültig und absolut tot galt, sondern als einer, der weiterlebt, der mächtig ist, der Rache nehmen kann. Die Leichensektionen - die von der Kirche legitimiert waren - wurden nun ausschließlich an Hingerichteten vorgenommen.

Die Hinrichtungsrituale waren so organisiert, daß eine gründliche Zerstörung und Vernichtung praktiziert wurde, um den Toten jede Möglichkeit zur Rache zu nehmen. Nur weil Hingerichtete diesem Ausschluß unterworfen und zerstört wurden, kam man überhaupt auf die Idee, diese Gruppe zur Leichensektion zu verwenden. Auf der Basis des magischen Denkens und aus der Abhängigkeit von der Hinrichtung, entsteht dann die Anatomie als Erkenntnisform. Anatomen gingen auch zu den Scharfrichtern und baten, die Todesstrafe so auszuführen, daß der Leichnam noch brauchbar war. Die letztendliche Zergliederung und Zerstörung - zuvor Henkershandwerk - übernahmen nun sie.

Vom 16. bis zum 18. Jh. wurden fast nur Hingerichtete, Männer und Frauen, seziert und präpariert. Das 'Zerstücken' auf dem Sektionstisch wurde ausdrücklich als Zusatzstrafe verhängt und durchgeführt im 'anatomischen Theater' (amphitheaterartiger Schausaal mit Sektionstisch im Zentrum als Bühne, auf der die Sektion 'aufgeführt' wurde vor geladenem Publikum. Es gab Musik, eine Kleider- und Sitzordnung). Es hatten nur die höheren Schichten Zutritt, Fürsten, Adlige, die Geistlichkeit - deshalb ist auch nicht verwunderlich, daß heute die Kirche
für Organtransplantation ist, sie ist diesen Säkularisierungsprozeß, was den Körper betrifft, immer mitgegangen - sie alle wurden in den ersten Reihen platziert. Der Anatom hatte noch keinen Kontakt zur Leiche, er stand auf dem Katheder, gab Anweisungen an die Chirurgen und erläuterte das Geschehen. Die Chirurgie zählte zu den sog. 'unehrlichen' Berufen, wie Scharfrichter, Abdecker usw. 'Unehrlich' deshalb, weil sie mit Blutvergießen und Tod zu tun hatten.

Das 16. Jh. wird immer als dasjenige bezeichnet, in dem sich die moderne Medizin im anatomischen Theater begründet hat. Man muß auch sehen, wie. Eine entscheidende Zäsur war, daß der Anatom Vesal vom Katheder herunterstieg und als Erster eigenhändig Leichen sezierte. Den krönenden Abschluß bildete die Sektion einer trächtigen Sau bei lebendigem Leibe. Diese Vivisektionen waren von bisher nicht gekannter Grausamkeit. Damit haben wir dann den Zusammenhang von Tod, Geburt, Sterben und Töten. Das alles wird im anatomischen Theater in Szene gesetzt, visualisiert. Hier entsteht ein neues Weltbild, kann man sagen, die Anatomie konstituiert einen zerlegbaren Körper, der aufgespalten ist in einzelne Organe, abgeschnitten von der Umwelt und vom Kosmos, mit autonomen Organen - was dann ganz entscheidend auch für die Transplantationsmedizin wird. Das ist eine chirurgisch-anatomische Anthropologie, die da entsteht. Besonders im 17. Jh., in dem die meisten Hinrichtungen stattfinden - also in der Frühmoderne und nicht im Mittelalter, wie häufig angenommen wird. Es war das Jahrhundert des Hexenwahns, der Hinrichtungsexzesse und der Kriegsdichte. Es gibt einen enormen Anstieg der Gewalt. Und es ist das 17. Jh., in dem sich die modernen Naturwissenschaften am stärksten konstituieren, die Akademien für Wissenschaft entstehen jetzt.

Die Hinrichtungsexzesse schaffen quasi eine materiale Voraussetzung für die empirische Erforschung des Körpers. Und seit dem 18. Jh. wurde der für die Anatomie verfügbare Personenkreis dann erweitert durch behördliche Anordnung, und zwar auf sozial deklassierte Gruppen. Also auf alle Armen, die kein Geld für eine Beerdigung hatten, die in Hospitälern, Gefängnissen, Zucht- und Waisenhäusern, Findel- und Invalidenhäusern gestorben sind, auch auf Selbstmörder und ledige Schwangere usw.. Im Rahmen einer sich rasant entwickelnden experimentellen Medizin wurde dieser Personenkreis dann recht bald auch für den Menschenversuch in Reihenuntersuchungen benutzt in einem vorher nicht gekannten Ausmaß. Ohne diese Verdinglichung der Armen und der Ausgegrenzten wäre die Entwicklung der modernen Medizin des 19. und 20. Jh. undenkbar gewesen."

"Die Chirurgie, die einst als 'unehrlich' galt, wurde zur Königin der modernen Medizin, und der Chirurg hatte lange Zeit den allerhöchsten Status. Seine Methode wird dann auch zur Hauptmethode unserer modernen Medizin. Wie geheilt wird, wie erkannt wird, bis hin zur Gentechnologie, alles das basiert ja auf dem Zergliedern, das sind alles Zergliederungen. Und so zieht sich ein roter Faden durch die Geschichte der modernen Medizin, von der Leichenzergliederung im anatomischen Theater, die Verwertung der Hingerichteten, die Experimente an Menschen im 18. und 19. Jh., die Menschenversuche der Mediziner im Nationalsozialismus, bis hin zur modernen Organtransplantationsmedizin, der Verdinglichung des Toten zum Gegenstand der Forschung und der Verdinglichung des ausgegrenzten Todgeweihten zum Menschenmaterial. Das waren Voraussetzungen für Transplantationsmedizin, die ja per Definition einen Sterbenden für tot erklärt, weil so auch die mentale Voraussetzung geschaffen wird, um jetzt Hand an ihn zu legen.

Bis Ende der 60er-Jahre galt, daß der Tod mit dem Stillstand von Herz und Kreislauf eintritt. Der Arzt hatte diesen Tod zu bescheinigen anhand der klassischen untrüglichen Todeszeichen wie Fehlen des Herzschlages, Atemstillstand, Blässe, Leichenstarre, Leichenflecken. Im Zuge der ersten Herztransplantation, die 1967 der südafrikanische Chirurg Barnard in Kapstadt durchgeführt hat - was eine ganze Welle von Herztransplantationen in aller Welt nach sich zog -, kam es 1968 zu einer ersten offiziellen Hirntoddefinition, zu den Harvard-Kriterien. Die Harvard-Kommission zählte in ihrer Definition das zentrale Nervensystem morphologisch zum Gehirn. Man faßte Gehirn und Rückenmark noch als eine Einheit auf; also Gehirntod lag dann vor, wenn kein einziger Reflex mehr nachweisbar war. Noch im selben Jahr ist diese Definition aufgegeben worden. Statt dessen setzte sich Ende der 60er-Jahre die bis heute gültige Definition einer irreversiblen Schädigung aller Hirnfunktionen durch. 17 mögliche Bewegungen beim Mann und 14 bei der Frau gelten dabei mit dem Status einer Leiche als vereinbar.

Nach der Definition der Medizin handelt es sich beim Hirntoten um eine tote Person mit einem lebendigen Körper. Die Medizin überschreitet ihre Kompetenzen, die Naturwissenschaft verfügt gar nicht über die Möglichkeit, eine Person zu definieren. Der Neurologe und Neurochirurg Ziegler sagt, daß das Hirntodkonzept sich auf ein Menschenbild beruft, das in der modernen Hirnforschung mittlerweile als widerlegt gilt, und der Neurochirurg und Anästhesist Klein erinnert immer wieder daran, daß es inzwischen vier Todesdefinitionen gibt, den Herz-Kreislauf-Tod, den Ganzhirntod, den Hirnstammtod in England und den Tod durch Ausfall des Großhirns. Aber der Gesetzgeber hat alle Wege geebnet. Das Transplantationsgesetz wurde 1997 im Bundestag beschlossen, es erlaubt die Organentnahme, wenn der Spender einen Organspenderausweis hat oder die Angehörigen zustimmen. Der Organspender muß tot sein. Die Definition dessen, was 'tot' ist, überließ der Gesetzgeber der Medizin. Seitdem gilt die juristische Festschreibung des Hirntoten als Leichnam.

Eine Operationsschwester erzählte Folgendes: Sie war in einer Ausstellung über die Geschichte der Euthanasie im Nationalsozialismus und hat sich danach die Frage gestellt, was ist eigentlich, wenn bei uns eines Tages der Hirntod keine Rechtsgültigkeit mehr hat, weil sich die Wissenschaft so fortentwickelt, daß sie den Hirntod als Irrtum bezeichnet. Bin ich dann eigentlich eine Täterin? Diese Frage also erklärt der Gesetzgeber als beantwortet. Gerade die Schwestern und Pfleger können aufgrund ihrer Praxis nicht ausblenden, daß es sich hier um einen Sterbenden handelt, den man ausweidet, und nicht um einen Leichnam. In beinahe jeder Klinik wurde auch von Ärzten berichtet, die sich verweigern.

Insgesamt acht Unterschriften sind im Hirntodprotokoll notwendig. Mit der letzten Unterschrift 'tritt der Tod ein', als bürokratischer Akt. Anschließend wird der Totenschein ausgefüllt, als Todeszeitpunkt wird die Uhrzeit der Unterzeichnung des Schriftaktes angegeben. Nun kann die Organentnahme stattfinden. Die Explantation hat ja eine ganz eigene Operationslogik. Es muß z.B. ein Anästhesist dabei sein, in den meisten Fällen gibt er eine Narkose, denn es kann zu 'spontanen' Bewegungen des 'Toten' kommen - vom Zucken beim Eintritt in die Bauchdecke wird berichtet, von Hautrötungen, vermehrtem Schwitzen und einem Anstieg von Herzfrequenz und Blutdruck bei Unnarkotisierten.

Was einstmals noch 'Lebenszeichen' waren, hat jetzt nur noch den Status von reinen Reflexen. Der Anästhesist hat die Aufgabe, sie zu unterbinden und das Herz so lange stabil zu halten, bis es entnommen wird. Würde der Totenschein jetzt erst ausgestellt, müßte als Todesursache Organentnahme angegeben werden. Damit keine Schuldgefühle entstehen, wird eine umfangreiche Arbeitsteilung praktiziert, sie erleichtert die Tabuüberschreitung und neutralisiert sozusagen die Schuld. Die fragmentierte Struktur des Transplantationssystems folgt mit der Zerlegung von Operationen nach dem Vorbild der kapitalistischen Ökonomie, je zerstückelter der Arbeitsprozeß, umso mehr Entfremdung und Entmenschlichung finden statt. Es kommt ein Team, um die Leber herauszunehmen, ein anderes Team holt die Nieren, wieder ein anderes explantiert das Herz. Vorweg wird in den Kreislauf eine kühlende Flüssigkeit eingegeben, die die vitalen Organe sozusagen für den Transport in der Kühlbox vorbereitet. Und durch diese innere Kälte kommt es dann zu letzten Zuckungen. Nach der Herzentnahme kommt dann noch der Augenarzt, um die Augen zu holen, und der Dermatologe, denn es gibt Fälle, wo die gesamte Haut abgezogen wird.

Bei der Werbung für die Organspende ist ja immer nur von einem Organ die Rede, oder es wird gebeten um Multiorganspender, aber was das bedeutet, bleibt ihnen verborgen. Haut, Knochen, Hirnhäute usw. gilt alles als Gewebe und wird vom Gesetz nicht miterfaßt. Gewebe darf verkauft werden, Organe aber nicht! Aber sie möchten es noch einfacher haben, die Transplantationsmedizin fordert, daß wir uns dem österreichischen Gesetz anpassen. Dort gilt, daß jeder, der sich nicht in einem Zentralregister als 'Organverweigerer' eintragen läßt, automatisch wie ein Organspender behandelt wird, ohne jedes Einspruchsrecht der Angehörigen. Das trifft im Prinzip auch Touristen, die auf österreichischem Boden österreichischem Recht unterliegen.

Die Leute denken ja, na gut, wenn ich sowieso tot bin und zu nichts mehr nutze, warum soll nicht ein anderer mein Herz haben, der es nötig hat!? Aber die Leute wissen nicht, daß sie gar nicht tot sein dürfen, weil sonst ja die Organe unbrauchbar sind, und daß sie also überhaupt als Spender in Frage kommen, wenn ein Krankheitsverlauf eingetreten ist, bei dem man als 'hirntot' diagnostiziert werden kann. Also wenn etwa durch einen Schlaganfall die Hirnschwellung so groß wird, daß man ins Koma fällt. Der Schlaganfall steigt im Moment. Also Herzspender ist nicht der viel beschworene Motorradfahrer. Aber kein Mensch stellt sich einen Organspender vor, der im Rollstuhl sitzt. Das Alter steigt ständig, die Transplantationswerbung verkündet, daß man nun bis 82 spenden kann. Es werden natürlich auch Säuglinge und Kinder explantiert, aber vergleichsweise wenig.

Viele machen sich auch nicht klar, daß Sterben zu einem medizinischen Faktum wird, ein organerhaltender Prozeß sozusagen ist, und da kann natürlich kein Angehöriger dabei sein und die Hand halten. Wer als 'hirntot' gilt, ist als soziales Wesen quasi 'erloschen'. Es gibt ja diese Gruppe von geschädigten Eltern, die, ohne zu wissen oder zu ahnen, um was es sich eigentlich handelt, zugestimmt haben in die Organentnahme ihrer Kinder, und erst hinterher begriffen, was geschehen war. Das sind in erster Linie Mütter, die in den Sarg geschaut haben und entsetzt waren. Und diese Eltern machen das auch öffentlich. Das finde ich sehr wichtig, daß andere sich das vorstellen können. Ganz konkret! Es wird ja in der Öffentlichkeit alles getan, um dem ganzen ein positives Image zu geben.

Der Tabubruch, der stattgefunden hat, ist kaum noch sichtbar. Nur die Organempfänger fühlen ihn in aller Stärke. Die meisten empfinden eine Überlebensschuld. Sie sind natürlich auch nicht die glücklichen und gesunden Organempfänger, wie von der Werbung vorgegaukelt wird. Sie bleiben Patienten und müssen lebenslang bis zu 30 Tabletten täglich nehmen, mit schweren Nebenwirkungen für Niere und Leber. Diese Medikamente bewirken eben eine geschwächte Immunabwehr, weil die notwendig ist, damit ihr Körper das fremde Organ nicht abstößt. Nur 40 von 100 Herz- und Leber-transplantationspatienten überleben länger als ein Jahr, nur 10 von 100 länger als 5 Jahre. Sie bekommen Osteoporose, viele ein parkinsonartiges Zittern, sie können die Tasse nicht mehr halten, manche werden zum Pflegefall. Und neben den physischen Begleiterscheinungen gibt es eben auch eine ganze Reihe von psychischen Begleiterscheinungen. 50 bis 70 Prozent aller Organempfänger leiden an Persönlichkeitsveränderungen, Identitätskonflikten, Angst und Depressionen. Es gibt psychologische Betreuung und eine spezielle Organtransplantationspsychiatrie.

Es gibt Beschreibungen, daß manche Organempfänger dann auch kannibalistische Phantasien entwickeln, z.B. träumen, daß sie als Raubtier das Herz eines anderen herausreißen und sich selbst einverleiben. Kannibalismus, das darf man nicht vergessen, ist eines der höchsten Tabus in jeder Kultur. Ausgerechnet der Hightech-Medizin ist es gelungen, ganz tiefe anthropophage Vorstellungen in ihren Patienten zu erzeugen. Und das liegt einfach daran, daß hier die Therapie tatsächlich in der Einverleibung von Menschenfleisch besteht. Von daher entstehen sehr viele Konflikte. Dazu kommt dann noch ein spezielles Mißtrauen gegen das fremde Organ, besonders gegen das fremde Herz. Sie fühlen 'ihr Herz' nicht mehr klopfen, weil es diesen Nervenanschluß nicht mehr gibt. Also es entstehen enorm viele Konflikte und Probleme, deshalb wird sehr darauf geachtet, schon bei der Indikationsstellung, daß Herzempfänger ein so genanntes stabiles soziales Umfeld haben. Sie brauchen also eine Frau, die dieses ganze soziale Umfeld herstellt und auch für ein hygienisches Umfeld sorgt. Ohne das wird keine Herztransplantation gemacht. Doch bei aller Bereitschaft zur liebevollen Umsorgung bleibt sein Zustand doch zeitlebens der eines Patienten, der nicht mehr derselbe Mensch ist wie zuvor."

"Es gibt eine Studie aus Hamburg, von Kardiologen verfaßt, die ausdrücklich keine Kritiker der Organtransplantation sind. Sie haben unter dem Aspekt des Organmangels über Herztransplantationen gearbeitet und herausgefunden, daß zwei Drittel aller Herztransplantierten eine höhere Überlebenschance gehabt hätten, wenn sie nicht transplantiert worden wären. ..."

Ganz will ich hier absehen von der Frage nach 'Sterbehilfe' und es ist gar nicht hier zu diskutieren über "Aktive Sterbehilfe", wo ein Handeln im Sinne aktiver Lebenshilfe für die letzten Tage so fremd zu sein scheint
[21]. Menschen bis auf die Knochen am lebendigen Leibe verfaulen zu lassen (Dekubitus) infolge mangelhafter Regulierung der Lagerung des nicht mehr ausreichend bewegungsfähigen Pflegebedürftigen wird schönfärberisch und offiziell als "Pflegemangel" umschrieben und nicht etwa als gefährliche Körperverletzung bei der Staatanwaltschaft angezeigt oder beim Tod des Pflegebedürftigen als Mord (Tötung eines Menschen aus Habgier und niedrigen Beweggründen), denn solcher "Pflegemangel" beruht auf der Einsparung von fünf Minuten pro Stunde an Personalkosten für die Pflege.

Ich kann sehr wohl die Situation der behandelnden Mediziner sehen. Da liegt ein stummer Mensch auf der Intensivstation. Das Einzige, was über ihn bekannt ist, sind medizinische Diagnosen und, vielleicht, widersprüchliche Meinungen seiner Angehörigen. Wer sonst kann den Medizinern oder dem Vormundschaftsgericht die Entscheidung über Leben und Tod abnehmen, wenn nicht dieser Mensch selbst und allein durch seine früher, im vollen Bewußtsein erlassene, schriftliche Verfügung als selbstbestimmter Auftraggeber für eine klar umschriebene medizinische oder pflegerische Dienstleistung seiner medizinischen Auftragnehmer. Es macht schon nachdenklich, daß Umfragen zeigen, daß etwa nur 5 Prozent der Menschen in Deutschland solche Verfügung getroffen haben. Was sagt mir das über meinen Anspruch auf Selbstverantwortung? Bin ich damit ein Exot? Will die ganz überwiegende Mehrheit sich viel lieber den Spezialisten ausliefern, eben gerade nicht für sich selbst Verantwortung übernehmen? Sind sie alle so gut Erzogene, dass sie solche Art von Verantwortung möglicherweise nicht kennen? Oder sind sie nur uninformiert über diese Möglichkeit der Selbstbestimmung bis zum Tode?

Zorn steigt in mir auf bei dem Mediziner-Argument "wer weiß, wie sich dieser Mensch jetzt bei dieser konkreten Konstellation neu entschieden hätte?" und deshalb über die Verfügung kühl hinweggegangen wird. Bei keinem Vertrag, keinem Testament ist solch unredliche Denkart erlaubt. Nur Mediziner maßen sich an, so einfach sich über Recht und Würde ihrer Vertragspartner hinweg zu setzen, in dem sie sie zu unmündigen Schutzbefohlenen umdefinieren, lange gestützt von einer einäugigen Rechtsprechung und immer noch voll im Einklang mit ihren berufsständischen Organisationen und Kammern.

Vielleicht sind Medizinern, die so mit dem Recht umgehen, nicht die Kübler-Ross'schen fünf Sterbephasen bekannt (1. Nicht wahr haben wollen und Isolierung; 2. Zorn; 3. Verhandeln; 4. Depression, entweder a) als 'reaktive D.' hinsichtlich der Angehörigen oder b) als 'vorbereitende D.' hinsichtlich des eigenen Todes; 5. Zustimmung). Die 2. und 3. Phase, Widerstand und Verhandeln, könnten mich leicht sagen lassen "was kümmert mich mein Geschwätz von gestern". Da werden diese Mediziner wohl viele praktische Erfahrungen haben - Widerstand und Verhandeln lassen sich leicht jeder Patientenverfügung entgegenhalten. Und Widerstand und Verhandeln eignen sich besonders gut zur Umsatzsteigerung auf diesem "Sachverständigenmarkt".

In Zeiten, wo es kaum noch Ärzte gibt, jene mitfühlend Heilenden, von denen aus einem Goldenen Zeitalter berichtet wird, es habe sie gegeben, wo dann die Floskel "Fürgeangebot in der Arzt-Patient-Beziehung" vielleicht noch Sinn gehabt hätte, heute will niemand mehr ein "Patient"
[22] [22a] [22b] sein. Der Kranke will dem heutigen Mediziner, der sich seine Aus- und Fortbildung weitgehend von der Pharma- und Medizintechnik-Industrie sponsoren [23] läßt, als mündiger Vertragspartner gegenüberstehen. Und, erfreulicherweise, seit 1994 mehren sich die BGH- und OLG-Urteile, die dies unmißverständlich unterstützen.

Kennzeichnend für die Mediziner-Kranker-Beziehung ist ein hohes Maß an Informations-Asymmetrie; der Kranke kann die Richtigkeit der medizinischen Diagnose sowie die Notwendigkeit der Therapie und die Angemessenheit ihres Umfangs nicht beurteilen. Die psychologische Situation des Kranken verstärkt das; es geht um die eigene Gesundheit, die Entscheidungen des Behandlers werden nicht hinterfragt. Es handelt sich um einen Sachverständigenmarkt, auf dem der auf Pharma- und Medizintechnik fixierte Mediziner die Nachfrage des Kranken nach Gesundheitsleistungen maßgeblich selbst beeinflußt; das Angebot schafft sich die Nachfrage selbst - und wird dafür durch falsche Anreizsysteme belohnt. Die Vergütungssysteme im Gesundheitswesen führen zur Fehlsteuerung, weil sie Behandlungsleistungen statt Behandlungserfolge honorieren und so zu Mengen- und Preismaximierungen anreizen.

Der Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Peter Sawicki sagte
[24] "90 Prozent der Informationen, die Ärzte von Pharmavertretern bekommen, sind nicht durch Studien gestützt. Im besten Falle sind sie unvollständig, im schlimmsten Falle schlicht falsch und gelogen". Das IQWiG hat den staatlichen Auftrag, für Patienten unabhängige Informationen für Therapiemöglichkeiten zu erarbeiten.

So hat denn diese Art Medizin eine perverse Lust an der Sterbeverlängerung gefunden. Sterbeverlängerung bringt nicht nur mehr Umsatz [25]. Sie wird dazu als "Fürsorgeangebot in der Arzt-Patient-Beziehung" schöngeredet, so im Deutschen Ärzteblatt, Heft 14/2002. Was in dieser Formulierung verkommt zur Werbelyrik zum Verschleiern ärztlicher Arroganz, ist nichts weiter als die im Zivilrecht seit je bestimmte Beratungspflicht des medizinischen Auftragnehmers und die im Strafrecht verankerte Auskunftspflicht des Behandlers, denn jede ungenehmigte medizinische Handlung kann eine verbotene Körperverletzung sein. Dem stelle ich meine Patientenverfügung entgegen als meine 'Besonderen Vertragsbedingungen' zu den 'Allgemeinen' des Krankenhauses.

Wenn einem Schulmediziner ein Patient "wegstirbt", ist das normal. Passiert das einem behandelnden Homöopathen oder gar einem Schamanen, "muß dem Scharlatan das Handwerk gelegt werden". Kommunikation von Wellenpaketen erscheint als suspekt. Sterben und Tod sind tabuisiert Und ein Weg der Wandlung durch Sterben erst recht.

Der bisher älteste entschlüsselte Satz menschlicher Schrift befindet sich auf zwei etwa 7.000 Jahre alten Spinnwirteln, den Schwunggewichten einer Handspindel der Vinca-Kultur, gefunden bei Jela, westlich von Belgrad. Er lautet "Bärgöttin und Vogelgöttin sind wirklich die Bärgöttin". Die Vogelgöttin, die Geierin, die die Toten verspeist, gilt als Todesgöttin. Die Bärin gilt als Göttin des Lebens bis in die Antike im Artemis-Kult. Wenn also Vogelgöttin und Bärgöttin eine Göttin sind, sagt das, Leben und Tod gehören zusammen, sind untrennbar. Das Leben ist nur aus dem Tod wirklich erklärbar und der Tod nur aus dem Leben. Diese Erkenntnis ist 7.000 Jahre alt!
[26]

Leben ist andauerndes Sterben. Im Blut sind nach wenigen Stunden alle Zellen neu, selbst die gesunden Zähne bestehen nach einigen Monaten nicht mehr aus denselben Atomen. Leben heißt, immer Abschied zu nehmen, Neues anzupacken. Alles ist in Bewegung, Stillstand ist unmöglich. Wer den Tod verdrängt, der verpaßt das Leben.




  • [1]
  • Welt in Zahlen (aus BRAND EINS 12/08) ??Zahl der Männer im Rentenalter, bei denen der PSA-Test zur Prostatakrebsfrüherkennung alarmierende Werte aufweist, auf je 1000 Tests: 120 ??Zahl der positiv getesteten Männer, bei denen sich dies nach einer Gewebeprobe als Fehlalarm erweist: 80 ???Zahl der positiv getesteten Männer, die tatsächlich Krebszellen aufweisen, jedoch aufgrund anderer Krankheiten sterben und den Krebs häufig nicht gespürt hätten: 32 ? Zahl der positiv getesteten Männer, die tatsächlich Krebszellen aufweisen und trotz Früherkennung und Behandlung sterben: 5 ???Zahl der positiv getesteten Männer, die tatsächlich Krebszellen aufweisen und durch die Behandlung schmerzfreier leben: 3 ???Geschätzter Umsatz bei Medizinem durch die jährlich durchgeführten PSA-Tests in Deutschland in Millionen Euro: 60 bis 80 (Deutschland lag mit 60,5 Erkrankungen pro 100.000 Männer in der europäischen Statistik für das Jahr 2002 an fünfter Stelle. Letztlich blieben die Sterberaten seit 1970 nahezu unverändert.“ Quelle: „Krebs in Deutschland“, herausgegeben 2006 vom Robert-Koch-Institut) (In der deutschen Leitlinie zur PSA-Bestimmung in der Prostatadiagnostik (Früherkennung des Prostatakarzinoms) wird festgestellt: „Die Effektivität der Früherkennung beim männlichen Prostatakarzinom ist zurzeit unbewiesen." Deshalb ist der PSA-Test derzeit nicht im Programm der Vorsorgeuntersuchungen nicht enthalten.)
  • [2] Maria Thun "Unkraut- und Schädlingsbekämpfung aus der Sicht der Konstellations- und Potenzforschung", ISBN 978-3-928636-09-4, Aussaattage-Verlag Thun & Thun OHG
  • [3] Ken Wilber "Mut und Gnade", Original 1991, deutsch 1996, 14. Aufl., München, GoldmannTB
  • [4] Also in den Jahren 1950 bis 1990 (J.-E. B.)
  • [5] Rainer Franke u. Ingrid Schlieske "Klopfen Sie sich frei"; Reinbek; 3. Aufl. 2006
  • [6] John Veltheim: "Das Body Talk System"; Alf Lüchow Verlag, Berlin; ISBN: 3-932761-21-9
  • [7] http://www.bernd-joschko.de (website-Stand 3.2005)
  • [8] http://www.synergetik.net (website-Stand 3.2005)
  • [9] Dtsch Arztebl 2003; 100, S. A1221 [Heft 19]: Lt. Studie der Gmünder Ersatzkasse (GEK) beanspruchen etwa 20% der Versicherten rd. 90% der Kassenausgaben. 2,5% der Mitglieder verursachen fast die Hälfte der Kosten. Die Studie zeigt, daß es die zum großen Teil durch anderen Lebensstil oder sinnvolle Ernährung vermeidbaren Volkskrankheiten und ihre Folgeschäden sind, die diese enormen Kosten verursachen. Die Ausgaben steigen nicht mit dem Alter der Versicherten, sondern altersunabhängig kurz vor dem Tod.
  • [10] Dtsch Arztebl 2005; 102: A 1889–1895 [Heft 26]: Prof. Dr. med. Klaus-Dieter Kolenda, Ostseeklinik Schönberg-Holm "Wirksamkeit von Lebensstilveränderungen im Vergleich zur medikamentösen Therapie". Im Rahmen der Sekundärprävention der Behandlung der koronaren Herzkrankheit (KHK) wird die Wirksamkeit von Veränderungen des Lebensstils mit der Wirksamkeit der etablierten medikamentösen Therapie verglichen. Die Wirksamkeit der in der Untersuchung angeführten Lebensstilveränderungen in der Summe dürfte die Effektivität einer kombinierten medikamentösen Therapie um das Mehrfache überschreiten.
  • [11] Manfred Lütz: "Lebenslust"; 2002; PATTLOCH VLG IM WELTBILD
  • [12] Pascal Bruckner: "Verdammt zum Glück - Der Fluch der Moderne"; 2002; Aufbau Taschenbuch Verlag
  • [13] Die Krankheit, den "Normal-Werten" entsprechen zu wollen, ohne zu fragen, was ist "normal", wer setzte die Norm und in wessen Interesse. Gesund sei nicht, wer sich wohlfühlt, sondern wer kürzlich beim Check war und das ohne Befund.
  • [14] So errechnet die Firma meteolytix GmbH in Kiel mit einer Treffersicherheit von 90 (!) Prozent bei den Prognosen über alle Warengruppen die Vorhersage von Umsätzen, die ein Einzelhändler oder ein Handelsunternehmen erzielen wird. Aus historischen regionalen Wetterdaten, also dem Wetter vergangener Jahre, und den dazugehörigen Umsatzzahlen errechnet die Firma den Zusammenhang zwischen Wetter und z.B. verkauften Backwaren. Das meteolytix-Modell berücksichtigt nicht nur den Einfluss des Wetters, sondern auch besondere Faktoren, wie Schulferien, Feiertage oder Flohmärkte.
  • [15] dazu die Werkzeuge des "Lachen ohne Grund" von Dr. Mahan Kataria und Peter Cubasch, z.B. in www.lafa.at und www.humor.ch
  • [16] So z.B. arbeitet Synergetik Therapie, vgl. viele praktische Beispiele in www.synergetik.net (Stand 3/05)
  • [17] In der langjährigen psycho- und körpertherapeutischen Arbeit war Wilhelm Reich letztlich sehr pessimistisch geworden hinsichtlich der Effektivität psychiatrischer Arbeit mit neurotisch verhärteten Erwachsenen. Sinngemäß sagte er: Einen erwachsenen Menschen kann man mit therapeutischen Methoden genausowenig zu einem gesunden Menschen machen wie man einen krummen Baum gerade machen kann. Wirkliche Gesundheit kann es nur geben, wenn Kinder von vornherein emotionell gesund aufwachsen. Vgl. http://www.orgon.de/reich00.htm Stand: 06.2009
  • [18] Die Patientenverfügung verfügt die Besonderen Vertragsbedingungen des Patienten zu den Allgemeinen Vertragsbedingungen des Krankenhauses und der Behandelnden. Sie muß so konkret und detailliert wie möglich sein. (vgl. www.dghs.de oder www.patientenverfuegung.de )
  • [19] Die Vollmacht für andere Menschen, die die Rechte und den Willen des nicht mehr Äußerungsfähigen gegenüber Behandelnden, Einrichtungen und vor Gericht gemäß der Patientenverfügung durchzusetzen haben. Mehr Informationen zu PatVfg und VsgVlm bei der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben, Postfach 11 05 29, 86030 Augsburg, deren website www.dghs.de sowie in www.patientenverfuegung.de
  • [20] Gabriele Goettle, taz Nr. 7855 vom 27.12.2005, Seite 13-14, sprach mit Anna Bergmann, Privatdozentin a. d. kulturwissenschaftlichen Fakultät d. Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder. Veröffentlichungen u. a.: "Herzloser Tod: Das Dilemma der Organspende", zusammen m. Ulrike Baureithel, Stuttg. 1999, u. 2001; "Der entseelte Patient. Die moderne Medizin und der Tod." Berlin 2004.
  • [21] So fand die Medizinische Hochschule Hannover in einer Studie an 17.000 Leichen, daß jeder 7. falsch gepflegt wurde. Bei 1700 der Untersuchten haben wohl die Pflegemängel, besonders Dekubitus, zum Tode geführt. (taz v. 6.1.03, S. 2)
  • [22] von lat. "der sich dem pater familias, dem Familienoberhaupt, zu unterwerfen hat" und damit "patiens, patientis = erduldend, erleidend" geworden ist.
  • [22a] Noch eindeutiger spricht der Begriff, mit dem Psychotherapeuten ihre Kunden bezeichnen: Klienten. Er geht zurück auf lat. cliens, clientis = die Hörigen, die in Rom zu Dienstleistungen verpflichteten, halbfreien Hintersassen eines Patriarchen, der sie, als Gegenleistung für ihre Ehrerbietung, in Not und vor Gericht schützt. Der giechische Wortstamm weist auf jemanden hin, der sich anlehnen muß, weil er nicht auf eigenen Beinen stehen kann.
  • [22b] Und so verhalten sich die Patienten auch. Die Zahl der Kontakte stieg von 2004 bis 2007 um 8,4 Prozent, wie die Gmünder Ersatzkasse (GEK) vorrechnete. (GEK-Report ambulant-ärztliche Versorgung 2007 http://media.gek.de/downloads/magazine/GEK-Report-Ambulant-aerztliche-Versorgung-2007.pdf) Statistisch gesehen suchen an jedem Werktag 6,3 Prozent der gesamten Bevölkerung Rat bei einem Mediziner, montags sogar 8 Prozent. Bei der Anzahl der Arztbesuche liegt ein statistisch durchschnittlicher Mensch in Deutschland mit 17,1 pro Jahr laut einer Studie weltweit vorn (dagegen z.B. 2,8 in Schweden 2006). Darin nicht eingeschlossen sind Kontakte zum Zahnarzt, Betriebsarzt, Amtsarzt, Krankenhaus und zu anderen Behandlern wie Hebammen, Heilpraktikern, Physio- und Ergotherapeuten und zu Privatärzten. 10 % der Versicherten weisen eine hohe Kontaktrate bei ambulanten Leistungen auf. Auf sie entfallen gut ein Drittel aller Arztkontakte und 43 % der Behandlungskosten. 1 % der Versicherten verursacht ca. 13 % der Kosten. Lediglich 7,1% der Bevölkerung suchten innerhalb des Jahres 2008 keinen Arzt auf.
  • [23] Eine ganze Industrie mit einem natürlichen wirtschaftlichen Interesse behindert, unterdrückt und diskreditiert alle Informationen über die Ausmerzung von Krankheiten. Die Pharma-Industrie verdient über eine Billion Dollar mit dem Verkauf von Medikamenten für Krankheiten. Diese Medikamente lindern die Symptome, aber sie heilen nicht. Wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass die Mission dieser Branche darin besteht, Geld mit den Krankheiten der Menschen zu verdienen. Die Heilung oder gar Ausmerzung einer Krankheit führt zum Zusammenbruch eines Multi-Milliarden-Arzneimittelmarkts.
  • [24] taz, 11.12.2008, http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=in&dig=2008%2F12%2F11%2Fa0131&cHash=05e77e1c68
  • [25] Die Barmenia-Krankenversicherung teilte mir mit:
  • [26] Luisa Francia: "Wortwechsel", München, 2006, Verlag Frauenoffensive



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