Selbsterkenntnis und Eigensinn


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4.17 Modelle

4 Wissen und Wahrheit?


Es gibt viele Informationen und viele Modelle, wie die Informationen zusammenpassen könnten. Doch die Landkarte ist nicht die Landschaft! Modelle sind gerade mal Denkregeln und Handlungsanweisungen zum Umgang mit Daten, nicht aber die Informationen oder gar das Denken und Handeln selber. Wer hat sich welche Modelle ausgedacht? Grundlage von Modellen sind Glaubenssätze; das lehrt und davon überzeugt uns heutige Wissenschaftstheorie. Wer hat sich welche Glaubenssätze ausgedacht? Modelle sind Konstruktionen. Wer hat konstruiert? Auch die vom Verstand erzeugten Informationen sind konstruiert vom selbstreferentiellen Gehirn, das zeigt uns heute Neurophysiologie. Wofür konstruiert? Gab es ein Ziel, einen Nutzen?
Gibt es mehr dahinter als den amicativen Glaubenssatz "Jeder tut zu jederzeit sein Bestes für sich - ..."?

Am Beispiel der Landkarten läßt sich die Wirkung und das Versagen von Modellen deutlich machen. Kartographie kann ein großes Spektrum verschiedener Methoden und Absichten heißen - letztendlich aber meint es die Repräsentation von Gesellschaft und Raum sowie von deren Zusammenhängen. Daß die Repräsentation die Realitäten in der modellhaften Abbildung nur unzulänglich spiegelt, zeigt eine systematische Sammlung üblicher Verzerrungen in kartografischen Darstellungen.

Die bekannteste Verzerrung resultiert aus der einfachen Tatsache, daß dreidimensionale Gegenstände wie die Erdoberfläche in zwei Dimensionen abgebildet werden - die Probleme der Übertragung der Kugelgestalt auf die zweidimensionale Ebene: Wie kann die Projektion von Weltkarten aussehen? – Denn bei jeder Verebnung des Gradnetzes (Breitengerade und Meridiane) treten Veränderungen bestimmter Eigenschaften auf – Verzerrungen; eine Projektion auf die Ebene mit Flächen-, Winkel- und Längentreue ist nicht möglich.
Auf die Problematik der Messfehler macht Ende des 18. Jhs. Gauß aufmerksam und unterwandert die Idee der Exaktheit mit dem von ihm entdeckten Fehlerfortpflanzungsgesetz.

Eine andere
Verzerrung folgt aus dem Glaubenssatz, dass das, was wir sehen, auch gemessen werden kann, wenn wir es wirklich wollen. Wie Benoît Mandelbrot[1] zeigte ist das jedoch äußerst problematisch, da z.B. die Länge einer Küste gar nicht korrekt gemessen werden kann, da es sich dabei um fraktale Gebilde handelt, die nicht rektifizierbar sind.

Daß Karten unwahr sind, wäre dementsprechend weniger ein Problem, das zu lösen ist, als vielmehr eine Grundbedingung ihrer Existenz. Karten abstrahieren mit einer bestimmten Intention in einem spezifischen Wissensfeld. Erst in einer naturgetreuen Kopie, der berühmten unbrauchbaren Karte im Maßstab 1:1, könnte sich der Unterschied zwischen Repräsentation und Dargestelltem aufheben. Die kritische Kraft von Karten macht sich dementsprechend nicht an ihrer Darstellungstreue fest, sondern an ihrer Argumentation.

Wissenschaft will durch Theorie erklären, durchsichtig machen. Was durchsichtig ist, wird unsichtbar. Wieder stoße ich auf das Unwissen II. Ordnung. 'Theorie' kommt aus demselben Wortstamm wie 'Theater' und 'Theologie'. Der internationale Begriff für Naturwissenschaft (engl. = science, lat. = scientia) leitet sich ab von der indogermanischen Wortwurzel ski = scheiden, trennen, unterscheiden. Aus der selben Wurzel: Science und Scheiße. Uff. Auch Beispiele für Traditionen.

Wenn die Modelle als konsistent
[2], valide[3] und reliabel[4] gelten, heißen sie bei uns "wissenschaftlich". Dann darf, ja, soll jeder sie glauben. Und, wenn die Wissenschaftler gut organisiert sind, werden sie zahlreich, verfügen sie über große Budgets, vom Staat, von der Industrie, eben von den an den Ergebnissen solcher Schulen, ihren Produkten und Glaubenssätzen interessierten Kreisen. Wer zieht Nutzen daraus?



  • [1] Mandelbrot , Benoît: How Long Is the Coast of Britain? Statistical Self-Similarity and Fractional Dimension. In: Science 156, S. 636-638, 1967
  • [2] konsistent = lückenlos und widerspruchsfrei; logisch aufgebaut
  • [3] valide = Die Validität gibt den Grad der Genauigkeit an, mit dem ein Verfahren das mißt, was es messen soll
  • [4] reliabel = Die Reliabilität gibt an, wie genau ein Test ein bestimmtes Merkmal mißt, ungeachtet dessen, was das Messinstrument zu messen beansprucht



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